Nachruf:Kurt Pätzold gestorben

Kurt Pätzold, 1930 in Breslau geboren, war der führende Faschismus-Forscher in der DDR. (Foto: Verlag Edition Ost/dpa)

Der Historiker Kurt Pätzold, geboren 1930 in Breslau, war der führende Faschismus-Forscher der DDR. Jetzt ist er in Berlin gestorben.

Von Jens Bisky

Statt von der "nationalsozialistischen Diktatur" zu reden, wollte Kurt Pätzold auf den Begriff "Faschismus" nicht verzichten. Er schien ihm wichtig für eine Geschichtsschreibung, die den Anspruch auf "theoretische Durchleuchtung" nicht aufgibt. Für den marxistischen Historiker hieß das, die NS-Diktatur mit faschistischen Regimen in Ungarn, Italien, Rumänien zu vergleichen und in der Geschichte des deutschen Imperialismus Gründe für die besondere Aggressivität und Brutalität der Nationalsozialisten zu finden.

1930 in Breslau geboren, studierte Pätzold Geschichte, Politische Ökonomie und Philosophie in Jena, wo er früh politische Funktionen übernahm. Mit einer Arbeit über den Zeiss-Konzern in der Wirtschaftskrise wurde er promoviert. Seine Dissertation B - das DDR-Äquivalent zur Habilitationsschrift - erschien 1975 unter dem Titel "Faschismus, Rassenwahn, Judenverfolgung". Als Professor für deutsche Geschichte an der Humboldt Universität zu Berlin festigte er seinen Ruf als Faschismusforscher mit einer Geschichte der NSDAP ("Hakenkreuz und Totenkopf", gemeinsam mit Manfred Weißbecker) und einer Darstellung der "Pogromnacht 1938" (mit Irene Runge).

Mehrfach war Pätzold an Disziplinarmaßnahmen gegen Studenten beteiligt. 1990 hat er sich für die politisch motivierten Relegierungen entschuldigt. Eine ehemalige, 1968 gemaßregelten Studentin antwortete in einem Offenen Brief: "Ihre Entschuldigung nehme ich nicht an." 1992 entlassen, stürzte sich Pätzold in publizistische und politische Arbeit, veröffentlichte Bücher über Hitler, Hess, die Wannseekonferenz, die Nürnberger Prozesse und seine Erinnerungen "Die Geschichte kennt kein Pardon" (2008). Bis zuletzt schrieb er für die Junge Welt und das Neue Deutschland. Kurt Pätzold starb am 18. August im Alter von 86 Jahren in Berlin.

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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