Nachruf:Hugo Strasser ist tot

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Hugo Strasser, Klarinettist, Big-Band-Leader und Swing-Legende. (Foto: Emily Wabitsch/dpa)

Am Donnerstag starb Hugo Strasser, Klarinettist, Big-Band-Leader und Swing-Legende, mit 93 Jahren in München. Mit sieben Jahren trat er im Bayerischen Rundfunk auf, mit 92 stand Strasser noch immer auf der Bühne.

Von Helmut Mauró

Das alte Deutsche Theater in München hat ihm besser gefallen. Das war seine Heimat, da standen sie ihren Mann: die Klarinette und er, Hugo Strasser, Big-Band-Leader und als Klarinettist eine Münchnerische Version von Benny Goodman. An Sylvester 1955 hatte er hier seinen ersten Auftritt. In guten Jahren, als noch jeder Kaninchenzüchterverein seinen eigenen Faschingsball hatte, waren es auch mal 55 Abende hintereinander, an denen Hugo Strasser mit seiner Klarinette und der Big Band auf der Bühne stand. Jetzt seien es nur noch etwa 70 Auftritte pro Jahr, sagte er im letzten Jahr dieser Zeitung; da war er immerhin auch schon 92 Jahre alt. Aber, wie sein Musikerfreund Max Greger, der im vergangenen August verstarb, wollte auch Strasser bis zuletzt auf der Bühne stehen.

Das Durchhalten hatte diese Generation gelernt. Dieser Sound, den Spätgeborene nur noch aus hochglanzpolierten und ein bisschen peinlichen ZDF-Shows der 1970er und 1980er Jahre kennen, war nicht nur ein Markenzeichen für die Generation Kriegskind, sondern auch eine große Unschuldsbehauptung. In der Musik, da war man sich einig, da gab es keine Sünde, da zählte allein das Talent, das Können, die Spielfreude und die üppige Beglückung des Publikums. Mit dem war man auf Du und Du, auch wenn man sich siezte, man hatte das Gleiche erlebt, den Krieg, die Vertreibung, den Hunger, man wusste um die Schuld und schämte sich, dass man überlebt hatte. Außer der Musik gab es in den Trümmern der Städte nichts, woran man sich freuen konnte, worauf man sogar ein bisschen stolz sein konnte.

Denn diesen Big-Band-Swing hatte man nicht erst jetzt von den Amerikanern übernommen; man hatte ihn schon während der Nazi-Herrschaft gespielt, meist heimlich, jetzt aber in den Clubs der US-Soldaten, und bald auch wieder in deutschen Unterhaltungstheatern. Zum Beispiel in Heidenheim, da spielten sie einmal Tango, und Strasser durfte mit der Ballkönigin tanzen. Der Anblick verstörte die Musiker so sehr, dass sie nach wenigen Takten in einen Walzer wechselten. Am Donnerstag, nach vielen Tango- und Walzertakten, wechselte Hugo Strasser ein letztes Mal die Seite und starb mit 93 Jahren in München.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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