Nachruf:Der ewige Dandy

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Dieses Lächeln mit der Augenbraue und dem Schönheitsfleck: Der britische Schauspieler und James-Bond-Darsteller Roger Moore ist im Alter von 89 Jahren gestorben.

Von Gerhard Matzig

Eine typische Bond-Szene ist gar keine. Was aber auch schon wieder sehr typisch ist. Als Roger Moore bei der Oscar-Verleihung 1973 dem Sieger Marlon Brando die höchste Auszeichnung für dessen Rolle im Film "Der Pate" überreichen sollte, war ja gar niemand da, der die Trophäe entgegennehmen wollte oder konnte. Bekanntlich lehnte Brando den Preis wegen der Diskriminierung der Indianer ab. Was also machte Moore? Das Naheliegende, das sich eben des Naheliegens wegen nur so unglücklich selten einer traut. Er nahm den Preis von der Bühne - und mit nach Hause. Vielleicht stellte er die Figur auf den Kamin zur Uhr. Oder in die Garage zum Häcksler.

War das Ernst? Oder ein Spiel? Ein Drehbuch? Oder nur eine Laune? Ein Streich? Ein Abenteuer? Die große Karriere des Roger Moore, der am Dienstag in der Schweiz im Alter von 89 Jahren gestorben ist, lag auch darin begründet, dass sein Protagonist die Grenzen nie sonderlich ernst und eher als Versuchsanordnung der Möglichkeiten wahrnahm. Grenzen waren zum Überschreiten da. Für einen guten Gag muss man schon mal was riskieren - und sei es, den Gag selbst.

Später musste er den Oscar dann natürlich artig zurückgegeben. Eigentlich möchte man ihn deshalb nicht als Eierdieb beschimpfen. Es ist einfach wieder so eine sehr komische, sehr abgebrühte Szene, so ein Lord-Sinclair-Ding, melancholisch, heiter, lässig, für das man Roger Moore noch mehr verehrte als für seinen Bond. Womöglich.

Der Sohn eines Polizisten spielte einen Geheimagenten - und hatte Angst vor Schusswaffen

Etliche Journalisten berichteten in jener Oscar-Nacht, dies sei der Beweis, dass Moore der wahre Bond sei. Der Schauspieler, nach dem glanzvollen Sean Connery und dem gruselig daneben besetzten, dackeltraurig dreinblickenden George Lazenby eigentlich nur die Nummer drei der Bond-Darsteller-Dynastie (ab 1973), habe schließlich - wie alle Welt nun sehen konnte - den Preis mit nach Hause genommen. Man kann sicher sein: Roger Moore lächelte dabei sein grandios britisches Es-ist-doch-alles-ganz-anders-Lächeln. Dieses Lächeln mit der Augenbraue und dem Schönheitsfleck.

Er hat vielleicht in seinem langen und so oft ungeplanten, dahinplätschernden, dann wieder arbeitsamen, ehrgeizigen Leben keinen Oscar als Darsteller gewonnen (wenn auch den bronzenen Bravo-Otto der deutschen Jugendzeitschrift und - dann doch - einige gewichtigere Preise wie den Golden Globe), aber dafür hat er James Bond jene elegant dahingezuckerte und dabei doch so zielgenaue Ironie verliehen, die diese Figur eigentlich erst erträglich macht. "Mein Name ist Bond, James Bond" . . . diese kleine Verzögerung zwischen Bond und James - dieses Achtung! Komma! Ironie! - er hat das, wenn nicht erfunden, so doch auf die Spitze getrieben. Als Distanz zu sich selbst. Als Kommentar auf die Rolle.

Roger Moore, der in insgesamt sieben Filmen den britischen Geheimagenten gespielt hat und Bond somit am längsten verkörperte, verdient vor allem auch deshalb Respekt. Er war ein grandioser Miterfinder einer unsterblichen Figur.

Dennoch wird man nie die Szene vergessen, in "Live and Let Die", "Leben und sterben lassen", war das, am Beginn der Siebzigerjahre also, in der Bond nachts von seinem Chef M. rausgeklingelt wird. Bond öffnet die Tür. Dazu trägt er einen cremefarbenen Kurzmorgenmantel, für den man heute auf der Stelle verhaftet werden würde. Es gibt keine Lizenz zum Tragen eines cremefarbenen Kurzmorgenmantels. Die Kamera zoomt sodann ins Schlafzimmer: Doppelbett, Eiche rustikal, moosgrüne Decke, senfgelbe Stehleuchte, an der Wand Drucke wie im Wartezimmer eines Zahnarztes. Man muss sich James Bond als Mann vorstellen, der zum Trinker und zum Heimatlosen wird, weil er die Hölle bürgerlicher Heimatanstrengung nicht erträgt. Dann die Küche: Ein Fliesengroßmarkt ist ein glamouröses Design-Versprechen dagegen. Und wäre im Schrank nicht eine nackte Frau versteckt, hat man das Ganze mal kommentiert, "man entleibte sich auf der Stelle".

Diese Schöner-Wohnen-Sequenz ist das vielleicht Grausamste, was je in einem Bond zu sehen war. Der sollte ja kein Kleinbürger sein, sondern ein Dandy. Der Bond-Erfinder Ian Fleming hatte sich Bond schließlich ausgedacht, als er in den Flitterwochen, als er verheiratet war. Als er Sehnsucht verspürte nach all den Abenteuern und Frauengeschichten, die er nun nicht mehr erleben würde. Deshalb ist die Szene, die Moore als Creme-Bond zeigt, nur denkbar als reinste Ironie - und sie lebt tatsächlich allein von Moores Mimik, die sich über sich selbst am meisten lustig macht.

Wenn Bond einem nicht nur fremd war als Utopie eines Lebens an den Kasinotischen und inmitten futuristischer Bösewicht-Hauptquartiere, dann hat das mehr mit Moore als mit Connery zu tun. Obwohl man die beiden gar nicht gegeneinander ausspielen muss: Moore dementierte stets das dennoch und gerade deshalb unsterbliche Gerücht, er sei Produzent Albert R. Broccolis auserwählter Lieblings-Bond gewesen. Natürlich war Connery männlicher. Moore war aber smarter. Und überdies ist Craig ohnehin der Allerbeste. Aber das muss Moore nicht stören. Er sah sich nie nur als Bond.

Sein Brett Sinclair war snobistisch, gebildet und vor allem über den Dingen stehend, liegend, trinkend

Er sah sich eigentlich zunächst als Zeichner, weshalb er die Londoner Kunstschule besuchte. Anschließend arbeitete er für ein Trickfilmstudio. Dann kam er zur Armee - und, 1945, nach Kärnten und ins besetze Deutschland. Er war immer ein Freund. Auch ein Freund der Verlierer. So spielte er bald Truppentheater - und, was soll man sagen, gefiel den Frauen gar sehr.

Sein blendendes Aussehen: Es war ihm im Weg und machte ihm den Weg zugleich frei. Doch zur Stilikone einer Ära und eines Zeitgeistes wird man so noch nicht. Das geschah erst, als Moore die Sprache entdeckte und gegen sein eigenes Bild in Stellung brachte. Sein Sprechen griff immer sein Selbstbild an: Leute, es ist doch alles ganz anders. Es ist doch Kino.

Diese Fähigkeit zur eindeutigen Doppelbödigkeit zeigte sich schon früh. Bereits die Fernsehserien "Simon Templar" (bis 1969) und "Die 2" wurden auch mit Moores darstellender Hilfe und Präsenz vor der Kamera zu Erfolgen. Übrigens auch zu Erfolgen der britischen, respektive schottischen Dandyhaftigkeit: gut aussehend, ungeheuer gebildet, herrlich snobistisch, und zwar auch dann, wenn man in Wahrheit Lord Brett Sinclair heißt, also alles andere als ohne Adel ist . . . vor allem aber: über den Dingen stehend, ruhend, liebend, trinkend, schießend.

Wobei das so eine Sache ist: Roger Moore, geboren in Stockwell, war zwar der Sohn eines Polizisten, aber er hasste das Schießen und hatte zeit seines Lebens Angst vor Schusswaffen. Vielleicht war deshalb sein soziales Engagement umso überzeugender. Es lag ihm am Frieden. Als er aus dem Bond-Imperium ausstieg, er war bereits 58 Jahre alt, spielte er jahrelang in keiner Film- oder Fernsehproduktion mehr mit. Er wurde, vielmals verheiratet und durch die Schauspielerei reich geworden, zu jenem Dandy, den er früher nur vorgab. Nur für einige Zeit. Dann moderierte er den "Danny Kaye International Children's Award" für Unicef - auf Bitten seiner Freundin Audrey Hepburn. Leider hatte er keine Ahnung vom Inhalt de s Preises, was er noch ironisch wegmoderieren konnte. Doch etwas hatte ihn erfasst: echtes Interesse, Leidenschaft, eine Aufgabe, ein Anliegen. Es sollte ihn nie wieder ruhen lassen. Zuletzt engagierte sich Roger Moore im Namen des Kinderhilfswerks für die Flüchtlinge aus Syrien.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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