Nachruf:Der Antiformalist

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Minimalismus hieß für den amerikanischen Künstler Robert Morris, auf den Ballast des Pathos zu verzichten und sich wie ein Zen-Mönch auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Nun ist er im Alter von 87 Jahren gestorben.

Von Kia Vahland

Was tun Filzbahnen, die an weißen Wänden hängen - tanzen sie? Kleiden sie den Raum wie ein barocker Faltenwurf aus, wärmen ihn und damit auch ein wenig den Betrachter? Und was macht die Schwerkraft mit Holzstücken, mit Metallteilen, Stoffknäueln oder Torfhaufen - wie lange hält sich eine Skulptur aus diesen Materialien aufrecht, wann bricht sie zusammen? Dieser Art sind die Fragen, die sich Robert Morris in den Sechzigerjahren, der Aufbruchzeit der zeitgenössischen Kunst, stellte. Minimalismus hieß für ihn, auf den Ballast des Pathos zu verzichten und sich wie ein Zen-Mönch zu konzentrieren auf das Hier und Jetzt.

Bei dem 1931 in Kansas City geborenen Morris wirkte der Minimalismus leichter, spielerischer als etwa bei seinem farb- und konturenstrengen Generationsgenossen Sol LeWitt. Denn Morris kam nicht von einer Kopfkunst, die den Entwurf über die Ausführung setzt, sondern vom Tanz. Bevor er 1961 nach New York zog, hatte er in San Francisco Improvisationstheater gemacht. Später inszenierte der damalige Gatte einer Choreografin Tanzperformances, und er brachte auch seine Installationen und Skulpturen in Bewegung. Einmal, 1961 in New York, kletterte er in eine Holzkiste, die seinem Körper knapp angepasst war und stürzte damit schmerzhaft auf den Boden.

Später interagierte dann nicht mehr unbedingt er selbst, wohl aber das Publikum mit seiner Kunst. Bei einer Mitmach-Ausstellung in der Londoner Tate Gallery im Jahr 1971 konnten Besucher sich über Rampen bewegen und Metallgewichte an Seilen ziehen. Schon nach fünf Tagen war der Parcours zerstört, denn die Gäste waren zu übermütig mit den Werken umgegangen. Die Schau musste geschlossen werden. Das Unvorhergesehene ist Teil von Morris' Kunst, für planbar hielt er das Leben nicht. 1968 hatte er, der auch Essays schrieb, in der Kunstzeitschrift Art Forum euphorisch den Begriff von der "Anti-Form" geprägt. Sein fluides Verständnis von Stil und Ausdruck, seine Offenheit für das, was kommt, ermöglichte es ihm, auch Konzeptkunst, Land Art und alles andere auszuprobieren, was ihm gefiel. Am Mittwoch ist Robert Morris im Alter von 87 Jahren in New York gestorben.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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