Nachruf:Arnfrid Astel ist gestorben

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Sein Vater war beim Hitlerputsch mitmarschiert, er selbst wurde im Jahre 1933 geboren. Arnfrid Astel, der 1959 debütierte, wurde zum Meister der kleinen Form in der Dichtung.

Von Willi Winkler

1933, als er geboren wurde, begann der Aufstieg des Vaters. Die "Rassendämmerung" brachte dem Mediziner und Hitlerputsch-Mitmarschierer Karl Astel das Rektorat der Nazi-Universität Jena ein. 1945 beging er Selbstmord. Der Sohn hatte den germanischen Namen davongetragen und sammelte gereimte Grabsprüche vom 15. bis zum 19. Jahrhundert. Zweitausend sollen es geworden sein, ab 1850, so der Fachmann, sei ein Niedergang dieser Sepulkralkunstform festzustellen. Seine ersten Gedichte brachte Arnfrid Astel 1959 im Selbstverlag der "Lyrischen Hefte" heraus, und beim Gedicht blieb er, genauer: beim Epigramm, ungereimt, kaum Metrik, haikukurz: ",Wahnsinn!' rufen die Irren/beim Verlassen ihrer Anstalt." Wie vielen Dichtern bot auch ihm die Anstalt Obdach, in seinem Fall der Saarländische Rundfunk, wo er über Jahrzehnte als Literaturredakteur waltete. Dennoch vergaß er nicht das wahre lyrische Objekt, die Natur: "Staunend umwandere ich/die Grenzen des Ahornblattes". Unvermeidlich agitproppte es im Lauf der Jahre über Notstand, Polizeistaat, Radikalenerlass, den tagespolitischen Anfall in der Bundesrepublik. "Der 'Verfassungsschutz'/überwacht meine Gespräche./Mit eigenen Ohren hört er:/Ich misstraue einem Staat,/der mich bespitzelt./Das kommt ihm verdächtig vor." Die Zeit war so, und bei diesem Vater kein Wunder. "Ich hatte schlechte Lehrer./Das war eine gute Schule."

Sein Freund Michael Buselmeier rühmte Astels rare Kunst, Zeichen auf dem Zahn des Wals zu entziffern. Ein Roman hätte darauf niemals Platz gefunden. Den Roman schrieb Karin Struck, aus der Geschichte mit ihm entstand ihre "Klassenliebe", in der er, kaum verkünstelt, als Z. auftritt. Ein Roman, überhaupt Buchregalkompatibles war von ihm nicht zu haben, dabei war Astel kurze Zeit auch seiner vermeintlich eindeutigen Parteinahme wegen so populär, dass ihm der Buchversand Zweitausendeins 1978 eine frühe Gesamtausgabe spendierte, "Neues (& altes) vom Rechtsstaat & von mir".

In Wiepersdorf, bei einem späten Stipendium, muss ihm ganz ovidisch im Gemüt geworden sein. Dort ließ er den Rechtsstaat links (wo auch sonst?) liegen und redete tatsächlich "von mir": "Die Linde reicht der Eiche einen Finger./Die schön verzweigten Blätter rührt der Wind./Die grüne Gänsehaut vor blauem Himmel/ergreift auch mich und den entwöhnten Rücken./Man sieht das Rauschen in den hohen Bäumen./Die Parkanlage scheitelt mein Gemüt." Am Montag ist Arnfrid Astel, der japanischste aller deutschen Dichter, 84jährig in Trier gestorben. Noch ein Gedicht? "Die Amsel fliegt auf./Der Zweig winkt ihr nach."

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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