Nachrichten aus dem Netz:Die Arbeitswelt der Uber-Stunden

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Eine Studie der New York University erforscht den harten Arbeitsalltag der Uber-Mitarbeiter.

Von MICHAEL MOORSTEDT

Es gibt heutzutage Start-Ups mit Milliarden-Dollar-Bewertungen, deren Geschäftsmodelle bedenklich an die der ersten Welle der New Economy erinnern, die einst ebenso viele Dollar verbrannt haben. Die Firmen liefern je nach Bedarf der Kunden Essen, holen deren Schmutzwäsche ab oder gehen mit dem Hund Gassi. Und jeder kann bei ihnen mitmachen und schnelles Geld verdienen. Ein Algorithmus verteilt die Arbeit. Alles was man dazu braucht, ist ein Smartphone und die entsprechende App. Was man noch letztes Jahr Sharing Economy genannt hat, ist mitsamt seiner latent antikapitalistischen Grundidee (Leihen statt Kaufen!) ersetzt worden. Von der Gig- oder auch On-Demand-Economy. Je nach Definition arbeiten bereits zwischen vier und 40 Millionen US-Amerikaner auf diese Weise.

Eine Studie der New York University hat am Beispiel der Fahrdienst-App Uber nun erstmals empirisch die Arbeitsbedingungen in dieser neuen Wirtschaftswelt untersucht. Zwar ist Uber in Deutschland erst einmal gerichtlich gestoppt worden. Aber auch hierzulande kann man ja vom Babysitter bis zur Putzkraft alle möglichen Dienstleister per App nach Hause bestellen. Als Freiberufler und Subunternehmer sind die Uber-Fahrer maximal auf sich allein gestellt. Dabei ist das Ausmaß der Kontrolle, die Uber über seine Fahrer ausübt, so allumfassend, wie es sich der größte Industriepatriarch nicht schöner ausmalen könnte. Statt Sozialversicherung und Feierabend gibt es einen dynamischen Algorithmus, der die Fahrer just zu dem Zeitpunkt über neue Kunden informiert, an dem die sich eigentlich ausloggen wollen.

Als "Informationsasymmetrie" bezeichnen die Forscher das Verhältnis zwischen Start-Up und Gig-Arbeiter. So wird den Fahrern so lange der Standort eines Kunden verheimlicht, bis sie den Auftrag annehmen. Gleichzeitig verlangt Uber einen Prozentsatz an angenommenen Aufträgen, zwischen 80 und 90 Prozent, je nachdem, in welcher Stadt sie arbeiten. Wer dem nicht nachkommt, wird "deaktiviert" - ein Warnschuss. Das gleiche Schicksal blüht den Fahrern, deren durchschnittliche Kundenbewertung unter 4,6 von fünf möglichen Punkten fällt. So werden auch schon mal kleine Snacks und Erfrischungen gereicht, finanziert auf eigene Kosten - man ist ja schließlich selbstständig.

Der einzig positive Punkt, den die Studie anführt, ist eine neue Art der Vernetzung und Solidarität der Arbeitnehmer. Und das in einer Zeit, in der Gewerkschaften vom Tempo des "disruptiven" Silicon Valley links liegen gelassen werden. Spezielle Internetforen und Facebookgruppen fungieren gleichermaßen als Aktivierungsort und Selbsthilfegruppen. Manche Fahrer gehen zur Gegenüberwachung über. Sie installieren Webcams in ihren Autos, um zu verhindern, dass Fahrgäste unberechtigte Beschwerden vorbringen. Sie organisieren "Mini-Streiks", indem sie dafür werben, die Uber-App für ein Wochenende abgeschaltet zu lassen. Gewirkt hat das noch nicht. Schließlich ist der nächste Streikbrecher immer nur einen Download entfernt.

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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