Musik:Veterinary Street Jazz Band

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Von Rudolf Neumaier

Warum schließen Jazzmusiker beim Spielen die Augen? Bei Trompetern, Saxofonisten und Posaunisten ist der Fall klar: Weil ihnen sonst wahrscheinlich die Augen herausflögen, so viel Luftdruck hat ihre Musik. Die Veterinary Street Jazz Band gehört zu den Formationen, die nach Noten spielen. Sie bläst im klassischen New-Orleans-Stil Standards von Joe King Oliver, Owen Murphy, Fletcher Henderson und anderen Heroen des Dixie-Jazz. Und obwohl die neun Münchner Musiker Notenständer vor sich haben, spielen sie blind - auch der Banjospieler, der Pianist und der Schlagzeuger. Nur mit geschlossenen Augen kann man sich auf die Notenlinien setzen und auf ihnen davonfliegen, ohne dass einem schwindlig wird beim Blick auf die triste Welt, es lenkt einen nichts mehr ab vom Blues, vom Groove, vom seelenvollen Fortschwingen.

Die Veterinary Street Jazz Band hat in diesem Jahr ein Jubiläum: Seit 40 Jahren gibt es sie und seither tritt sie jeden Donnerstagabend in einem Münchner Gasthof auf, dem Wirtshaus zum Isartal. Doch bekannt wurde sie über München hinaus, denn in der ZDF-Sendung "Knoff-hoff-Show" spielte sie von 1986 bis 2004 Woche für Woche als Fernsehcombo auf. Wer die neun Männer gesehen hat, wird sie als lustige Gesellen mit lustigen Frisuren in Erinnerung haben. Dazu passte das gaudiburschige "Ain't She Sweet" von Milton Ager und Jack Yellen als Erkennungsmelodie. Das Branchenblatt Jazz Zeitung aber nahm sie schon zum zwanzigsten Geburtstag ernster als sie auftrat und lobte sie mit einer Arie voller Gänsefüßchen: "Diese ,Jungs' könnte man sich locker auf einem Pferdefuhrwerk in der Bourbon-Street oder an der Ecke Perdido/Franklin Street vorstellen, flankiert von einer kühnen ,battle' mit den ,boys' von Joe King Oliver."

Zum Vierzigsten hat sich die Band um den Sousafonisten Stefan Frühbeis zwei Tage im Studio versammelt, um wieder mal eine CD einzuspielen. "40 Years VSJB" heißt sie. Man kann davon ausgehen, dass alle Musiker nach Noten, aber blind spielten. Ihre Soloparts improvisieren sie wie Ur-New-Orleanser, lachend über die triste Welt, der sie gerade auf einer Soundwolke davondüsen. Aus diesen lachenden geschlossenen Augen kann auch mal eine Träne quillen, so muss das sein.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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