Musik:Martin Klett bringt Bach den Tango bei

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(Foto: Challenge Records)

Von Helmut Mauró

Es ist selten, dass ein Musiker in so unterschiedlichen Bereichen wie den streng gebauten barocken Klangschlössern Johann Sebastian Bachs und den gleichsam noch mit einem Bein auf der Straße stolzierenden Tango-Arrangements von Osvaldo Pugliese reüssiert. Der ist hierzulande zwar nicht ganz so berühmt wie sein sechzehn Jahre jüngerer Kollege Astor Piazzolla, hat als Pianist, Arrangeur und Komponist den Tango Argentino aber mindestens so stark geprägt wie letzterer. Vielleicht ist er sogar der Interessantere von beiden, weil er sich weniger Freiheiten gestattet, weniger einem Personalstil frönt, als sich ganz der kunstvollen Pflege und vorsichtigen Entwicklung des klassischen Tangos verpflichtet zu fühlen.

Auf dem Album "Lamento" (Avi-music) mit dem Pianisten Martin Klett und seinem virtuosen, fröhlich-melancholischen Ensemble - es ist nicht mehr das 2008 gegründete Cuarteto SolTango - klingt derweil alles Tango-Klassische zeitlos überirdisch, auch wenn das Atmosphärische des Straßencafés noch ruchbar ist. Martin Klett hat dafür ein besonderes Ensemble gefunden. Man hört Musik und doch schiere Musikalität. Für den Pianisten selber gilt das ganz besonders, das zeigt er in zwei Klavierkonzerten von Bach auf demselben Album. Die Kombination Bach'scher Musik mit allem Möglichen ist zwar beliebt, weil der Altmeister eine ästhetisch stabile Basis liefert für nahezu jede Musik. Hier aber wirkt die Kombination organischer, weniger gewollt und schon gar nicht als wechselseitiges Alibi, im Gegenteil: Bach soll hier offenbar der Tango beigebracht werden, so unheilig verspielt klingt er stellenweise; umgekehrt gewinnt der Tango eine hochkulturelle Selbstverständlichkeit und Würde, die ihm normalerweise nicht zukommt. Weil hier ja immer - egal wie konstruiert - das Originale, Echte und Unverfälschte gefeiert werden muss und die südamerikanische Leidenschaft und so Sachen. Braucht es aber alles nicht, wenn es um gute Musik gehen soll.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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