Musik:Daniel Stoyanov

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Von Thomas Steinfeld

Vor einigen Wochen veröffentlichte ein niederländisches Ensemble mit dem etwas komplizierten Namen "De Raad van Toezicht" ("Stiftungsrat") ein Album, dem man gerne zuhört, weil es die Idee der kleinen Big Band ins fast schon Symphonische ausweitet, mit zwei Schlagzeugern und zwei Keyboardern, in einem ständigen, immer wieder klugen Wechsel der Stimmungen und der Arrangements. Manchmal erinnert die Musik dieser Gruppe an das amerikanische Ensemble "Snarky Puppy", manchmal an das ebenfalls niederländische "Metropole Orkest". Auf einem der Stücke des Albums "84" jedenfalls wird gesungen, auf eine ungewöhnliche, aber beeindruckend schöne Weise: "The Mirror" ist ein Kunstlied, eine kleine, beinahe klassische Komposition, in der ein offenbar gar nicht in Verse gesetzter Text, in dem von einer Eisenbahnfahrt erzählt wird, in Gesang übertragen wurde. Und dieser Gesang ist so erstaunlich, dass dafür die Vergleiche fehlen: Da singt jemand mit seiner natürlichen Stimme, also ohne die Pneumatik, die man für den klassischen Gesang benötigt, aber mit der Präzision, mit dem Register und dem Ausdrucksvermögen, wie sie sich gewöhnlich erst nach vielen Jahren Schulung einstellen. Und dazu mit einer Wärme und Einfühlung, dass man gleich Freundschaft mit dieser Stimme schließen möchte - in diesem Lied ist es, als gäbe es keine vernünftigere und ästhetisch angemessenere Weise, vom Betreten eines Abteils zu berichten, als damit einen Orpheus zu beschäftigten, der in großen Intervallsprüngen und vor einem breiten Arrangement der Bläser die Zugfahrt in eine Herzensangelegenheit verwandelt. Vor allem aber fehlt dieser Stimme das Prätentiöse, der offenbare Wille, nicht nur zu singen, sondern auch ein bestimmtes Genre - sei es Jazz, sei es Blues, sei es Pop - zu treffen. Daniel Stoyanov heißt dieser Sänger, der, soweit es sich mit ein wenig Recherche herausfinden lässt, aus Bulgarien stammt, in Berlin lebt, gelegentlich den Hintergrundgesang für die "Fantastischen Vier" lieferte und sogar, in einem Duo mit dem Namen "Malky", zwei etwas überarrangierte Pop-Alben veröffentlichte. Seltsam, dass man ihn nie hörte, und schade auch: Es ist, als fielen die Töne in schönster Reihe und Vollendung aus diesem Mann heraus.

© SZ vom 05.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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