Musical:Lachen in C-Dur

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Im "Weißen Rössl" war sie die Wirtin, jetzt spielt Sigrid Hauser Desirée, eine Künstlerin, die noch einmal nach der Liebe greift. (Foto: Thomas Dashuber)

Eine Karriere zwischen Sprech- und Musiktheater: Sigrid Hauser spielt die Desirée in Stephan Sondheims Musical "Das Lächeln einer Sommernacht", das im Cuvilliéstheater Premiere hat

Von Klaus Kalchschmid

Es war die passgenaue, geradezu perfekte Rolle für Sigrid Hauser, die in ihrem künstlerischen Leben schon alles gemacht hat, was es zwischen Sprech- und Musiktheater, zwischen Kabarett und Operette, Fernsehen und Bühne gibt: die etwas durchgeknallte, permanent überforderte und deshalb umso strengere Wirtin des "Weißen Rössl" von Ralf Benatzky im Fröttmaninger Theaterzelt. Sie spielte und sang sie als Powerfrau, deren Körper unter ihrem prallen Dirndl schier zu platzen schien, was Sigrid Hauser "bis heute unheimlichen Spaß macht!"

Ob im Ensemble von "Die Tietzes" im Fernsehen, beim "Simpl"-Kabarett, als eine der "kranken Schwestern", in "Jesus Christ Superstar" und "Der Graf von Luxemburg", als Dolly in "Hello Dolly!" oder bald als Julia im komplett umgeschriebenen Shakespeare-Liebesdrama "Romeo und Julia" am "Globe Wien" in der Regie des österreichischen Comedy-Star Michael Niavarani: Der geborenen Wienerin, die singen und spielen, texten und Regie führen kann, wird es schnell "fad", wenn sie etwas gut kann ("Wobei ich nicht sagen will, dass ich irgendetwas gut kann!"). Also hat sie sich immer wieder neu erfunden und immer wieder andere Herausforderungen gesucht, nicht zuletzt als Schauspielerin in "Polly Adler", "Kommissar Rex" oder "Schnell ermittelt".

Wenn sie druckreif und in hohem Tempo davon erzählt, dass sie eigentlich vom Jazz kommt, die Operette nicht sehr mochte, mit ihrer Größe die Tenöre leider meistens toppte und so sehr schnell beim Kabarett landete, dann rutscht beim häufigen ebenso herzhaften wie saftigen Lachen die Mezzo-Sprechstimme, die ihr sogar der Stimm-Arzt bescheinigte, immer wieder rasant in die Tessitura des hohen Soprans; denn das ist ihre eigentliche Stimmlage.

Wenig gemein hat die Schau- und Singspielerin Sigrid Hauser also mit ihrer derzeitigen Partie als von allen Männern angehimmelte Star-Schauspielerin Desirée in Stephan Sondheims Musical "Das Lächeln einer Sommernacht". Wohl deshalb charakterisiert sie diese Frau mit viel Wärme und anteilnehmend: "Desirée ist mit der Zeit müde geworden: als gefeierte Künstlerin, als Frau vieler Liebhaber, als Tochter einer nervigen Mutter, die ihr immer nur vermittelt, wie sehr sie gescheitert ist; was wohl viele Mütter von ihren Töchtern denken. Dann steht ihre Jugendliebe plötzlich in der Garderobe; sie wittert ihre Chance und stellt den Fuß in die Tür. Einen Versuch war es wert, auch wenn sie am Ende damit scheitert." Hauser bedauert nicht, dass die Partie eigentlich nicht für eine Sängerin, sondern für eine Schauspielerin geschrieben ist, sie daher viel sprechen muss und auch ihr letzter Song sehr tief liegt: "Wir wollten das ändern und höher transponieren, haben aber bald gemerkt, dass das für die Charakterisierung der Figur nicht gut wäre." Dafür gibt es an anderer Stelle nach einem Durchschreiten aller Stimmlagen ein hohes Des zu treffen: "Josef Ernst Köpplinger, unser Regisseur, wollte halt zeigen, dass ich auch singen kann!", verrät Sigrid Hauser und probt beim Lachen wieder einmal ihre bombensichere Höhe.

Sondheim hat die Handlung des gleichnamigen Films von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1955 weitgehend übernommen, dessen originales Schwedisch so entzückend ist wie der ganze Film. Einiges begründet das Musical anders, und Lieblingsstellen fehlen, wie das Hereinfahren eines Betts in das angrenzende Zimmer samt Baldachin und am Ende trompetender Putte. Dafür wird im Cuvilliéstheater die mit Ausnahme von ein paar Versatzstücken - und ein paar Birken - fast leere Drehbühne ausgiebig benutzt: "Wir sind schon alle etwas see-, oder besser landkrank geworden. Auf der Straße weiß ich oft nicht mehr, ob nun ich mich drehe oder eher die Straße und die anderen Menschen."

Sigrid Hauser ist im Gespräch wunderbar offenherzig, charmant und uneitel, erzählt, mit wie viel Idealismus sie das Singen verfolgte, darüber fast in eine Krise stolperte und aufhören wollte mit der Musik oder zugibt: "Am Anfang einer Produktion weiß ich immer erst mal nix und muss bei Null anfangen. Dieses unbeschriebene Blatt mögen die Regisseure, auch wenn sie manchmal etwas ungeduldig werden ob dieser tabula rasa. Aber ich brauche das, um mich auf eine Figur einlassen zu können."

Wenn das Gärtnerplatztheater endlich (wohl doch erst 2017) wieder eröffnet wird, ist Sigrid Hauser prominent mit dabei: natürlich als Rössl-Wirtin, mit der "Zirkusprinzessin" und in "Tschitti-Tschitti-Bäng-Bäng". Zurzeit bleiben die Produktionen andernorts lebendig und frisch: "Das Münchner 'Rössl' machen wir derzeit an der Wiener Volksoper, die 'Zirkusprinzessin' spielen wir in Düsseldorf. Der Josef verschachert uns grade in alle Welt!" Sagt's wieder freudestrahlend und explodiert ein letztes Mal in ein hochdramatisch schmetterndes Lachen in C-Dur, das noch lange nachhallt.

Das Lächeln einer Sommernacht, Cuvilliéstheater, Do., 4. Februar, 19.30 Uhr (Premiere)

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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