Musical:Glück für alle

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Mit "Priscilla - Königin der Wüste" von Gil Mehmert wird auch die große Vielfalt gefeiert, die im Gärtnerplatzviertel schon lange Normalität ist.

Von Thomas Jordan

Drei Dragqueens fahren ins australische Outback und die ganze Welt sieht zu. "Priscilla - Königin der Wüste" war in den 1990er Jahren ein Meilenstein der schwulen Emanzipationsbewegung rund um den Erdball. Denn natürlich standen die bornierten Landbewohner und die überraschten Aborigines, denen Bernadette, Mitzi und Felicia auf ihrer Busfahrt durch die Wüste begegnen, für gesellschaftliche Ressentiments gegenüber Homosexuellen und Transvestiten. Und die drei so unterschiedlichen Dragqueens verkörperten den Aufbruch in eine Phase, in der die traditionellen Geschlechterrollen von immer mehr Menschen offen hinterfragt werden konnten.

Wenn der Stoff im Dezember im Münchner Gärtnerplatztheater seine deutsche Erstaufführung als Musical feiert, dann bilden das Stück und der Ort, an dem es aufgeführt wird, eine ganz besondere Mélange. Denn im Münchner Gärtnerplatzviertel, dessen Zentrum und Seele, das traditionsreiche Gärtnerplatztheater, nun wieder an den angestammten Ort zurückkehrt, war man schon oft lockerer und aufgeschlossener als im Rest Münchens. Bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts kam das vor allem durch die Schauspieler und Tänzer des benachbarten Theaters. Aber schon in den sechziger Jahren wurde das Viertel "sehr rosa" wie Alexander Miklosy, der seit 2002 Vorsitzender des Bezirksausschusses Isarvorstadt/Ludwigsvorstadt ist, betont. Der legendäre, gleichermaßen arbeits- wie feierwütige Rainer Werner Fassbinder sorgte in den Folgejahren dafür, dass das Gärtnerplatzviertel zum Zentrum der schwul-lesbischen Szene in München wurde. Regisseur Gil Mehmert, der das Musical "Priscilla - Königin der Wüste" inszeniert, hat ab den späten Achtzigerjahren während seines Musikhochschulstudiums selbst hier gelebt. Und auch wenn er, der im katholischen Westfalen aufwuchs, zu Beginn ein wenig fremdelte mit der bunten und freizügigen LGBTQ-Szene vom Gärtnerplatz: Längst ist die Gegend zwischen Blumen- und Baaderstraße für Mehmert ein "großes Stück Heimat" geworden: "Ich habe hier ein unglaublich selbstverständliches schwules Leben erlebt." Das Gärtnerplatzviertel und "Priscilla" - klar, das passe ja schon auf den ersten Blick "wie gespuckt", sagt Mehmert im flapsigen Ruhrgebietsdeutsch. Und natürlich gebe es in dem Stoff "sehr viele Szenen, die dazu einladen, dass man tuntig auf die Kacke haut."

Etwa wenn die drei Grazien Bernadette, Mitzi und Felicia bei ihren Auftritten in australischen Wüstenbars die Landbevölkerung mit Hymnen der Schwulen- und Lesbenbewegung von Gloria Gaynor und den Village People aus den Cowboystiefeln singen. Trotzdem ist dem Regisseur, der 2016 bereits das Musical "Hair" für das Gärtnerplatztheater inszenierte - damals im Ausweichquartier Reithalle - eines wichtig: Dass seine Inszenierung nicht nur an der schillernden Oberfläche bleibt, sondern sich auch in das Innere der Figuren und der Gesellschaft wagt. Schließlich geht es in dem Stück auch um den verschiedenen Umgang dreier Generationen mit ihrer Geschlechtsidentität. Darum, was es einst, heute und morgen heißt, männlich, weiblich oder transgender zu sein.

Regisseur Gil Mehmert will die ersten Seiten des Stoffs nicht mit Tamtam zudecken

Mehmert sieht es als Teil einer politischen Ernsthaftigkeit, Szenen wie die Vergewaltigung der jungen, homosexuellen Drag-Queen Felicia, die im Stoff auftauchen, ernst zu nehmen und nicht mit viel Plüsch und Tamtam zuzudecken. Und nicht zuletzt gehe es in dem Musical auch darum, wie tolerant die Transvestiten-Szene selbst ist: Stellt sich doch während der Busreise der drei Figuren heraus, dass Mitzi, die mittlere der drei Dragqueens, verheiratet ist und mit seiner Frau einen Sohn gezeugt hat. Trotz aller Ernsthaftigkeit, mit der sich Mehmert dem Stoff nähert, ist eines aber auch klar: Die schwul-lesbische Szene vom Gärtnerplatz wird es sich ganz sicher nicht nehmen lassen, die Premiere des Kultfilms als Musical gebührend zu begleiten. Dietmar Holzapfel, Wirt der legendären "Deutschen Eiche" hat sich dafür etwas ganz Besonderes ausgedacht: "Bei der Premiere werden meine Mitarbeiter als Drag-Queens mit einer Stretch-Limousine von der Eiche bis zum Gärtnerplatztheater fahren."

Die viel gepriesene "Barrierefreiheit" des neuen, alten Gärtnerplatztheaters hat eben weit mehr als nur physikalische Bedeutung für Rollstuhlfahrer und Lieferanten. Als "Volksoper" sieht Intendant Josef E. Köpplinger sein Haus, und das bedeutet neben dessen Offenheit für die künstlerische Vielfalt in den Genres, eben auch den Einbezug von Menschen aller sexuellen Orientierungen und sozialen Schichten. Schließlich habe sich auch die Gesellschaft in den letzten Jahren weiterentwickelt. Sie sei als Ganzes liberaler gegenüber Homosexuellen geworden, das erlebt auch der Bezirksausschussvorsitzende Miklosy so. "Was früher isoliert war, gehört heute zusammen. Die Vielfalt, das Bunte ist normaler geworden." Und das wiedereröffnete Gärtnerplatztheater hat nun auch endlich die richtige äußere und innere Form dafür.

Der Kommunikationschef des Gärtnerplatztheaters, Gunnar Klattenhoff, formuliert es so: Die Stückauswahl für die erste Saison im wiedereröffneten Prachthaus sei doch ideal. Produktionen wie "Priscilla" seien "wunderbare Persiflagen über Menschen, die nicht der Norm entsprechen, aber viel klarer zum Ausdruck bringen, was Lebensglück ist."

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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