Musical:Auftritt des Killerkaninchens

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Von Mittwoch an ist im Deutschen Theater das Monthy-Python-Musical "Spamalot" zu sehen - Alfred Biolek erinnert sich an die Zeit, als er die englischen Komiker nach München holte

Von Michael Zirnstein

Korrekterweise hätte man Alfred Biolek Gott spielen lassen müssen in dem Stück. In der wirklichen Genesis von Monty Python hatte er tatsächlich eine Schöpferrolle inne in den Siebzigerjahren. Aber als dann am 25. September 2009 das Monty-Python-Musical "Spamalot" in Köln Deutschland-Premiere hatte, ehrte man Biolek mit der Rolle des erklärenden Historikers, was ja auch irgendwie passt: Immerhin hatte er mit den britischen Komikern Fernseh-Geschichte geschrieben.

Was vielen gar nicht bewusst ist, hat der 80-jährige Alfred Biolek heute noch klar vor Augen. "Wissen Sie, ich erinnere mich nicht mehr an viel", sagt er am Telefon, "aber an die Zeit mit den Pythons erinnere ich mich sehr gut". Es war 1970, Biolek lebte im Münchner Lehel. Als Unterhaltungschef bei der Bavaria Film hielt er Augen und Ohren auf nach ausgefallenen Künstlern. "Ich habe vorher Studenten-Kabarett gemacht beim Trojanischen Pferdchen, da wollte ich auch im Fernsehen kein 08/15-Entertainment fördern." In Großbritannien stieß er eben auf die albernen Gentlemen Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin, die frisch von der Uni weg mit ihrem absurd-komischen "Flying Circus" in der BBC Furore machten.

So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen, das biedere Deutschland schon gar nicht. Biolek wollte das ändern und die Truppe herholen. Dieser so untypische, irgendwie ulkige Deutsche flog nach London, berauschte sich mit der Komikern an "Gin und wenig Tonic" ("Der Spesen-Mann bei der Bavaria sagte, mein Gott, was habt ihr denn alles gesoffen?!") und bekam die Zusage: "Wir kommen nicht nach Deutschland, wir kommen zu dir, Alfred."

Das Experiment startete. In einer ersten Schnupperphase zeigte Biolek seinen neuen Freunden Bayern: Zuerst die KZ-Gedenkstätte in Dachau (die Pythons gaben sich als Juden aus, um nach Torschluss noch eingelassen zu werden), Neuschwanstein, Hofbräuhaus, Olympiastadion und so weiter. Die Eindrücke und viel Bier flossen in ein Drehbuch ein, welches man in London besprach und auf Deutsch übersetzte - Cleese und Co. verstanden es so zwar nicht mehr, vertrauten aber Bioleks Sinn für Pointen und lernten alles phonetisch auswendig.

Beim nächsten Gegenbesuch wurde 14 Tage lang die erste von zwei 45-minütigen Ausgaben des "Fliegenden Zirkus" für den WDR gedreht, wie ein Spielfilm auf Zelluloid, was die Pythons ebenso beeindruckte wie die Garderobieren, die ihnen persönlich die Schuhe an- und auszogen. "Absoluter Luxus", vergleicht Biolek das mit heutigen Produktionen. An ihrem Fremdenführer hingen die Pythons am meisten. Wenn sie nach ein paar Tagen sagten, "Wir müssen jetzt wirklich mal was alleine machen, Alfred", warfen sie abends doch von der Bürkleinstraße aus Steinchen ans Fenster: "Alfred, wo bleibst Du?" Biolek spielte auch in einigen Sketchen mit, als Arzt in der Landdoktor-Version des "Kaufmanns von Venedig", als "Unhold Heinz", gemeuchelt von Cleese als Riesen-Rotkäppchen, und als Moderator der "Blödel-Olympiade" (ein bekloppter Vorgeschmack auf München '72).

Das war noch zu respektlos und abstrus für den an Herrenwitz gewöhnten deutschen Massengeschmack. "Bei Zuschauerumfragen bekamen wir auf einer Skala von minus zehn bis plus zehn eine Minus-Sieben", erinnert sich Biolek. Aber in Deutschland hatten sich Monty Python noch vor den USA auf unbekanntes Terrain gewagt und waren nicht mehr zu stoppen: "Ich bin schon stolz darauf, meinen Anteil an der internationalen Karriere zu haben." Der Einfluss der Briten darauf, worüber die Welt heute lacht, ist so groß, wie der der Beatles auf die Popmusik. Ihre Filme von "Das Leben des Bryan" bis "Der Sinn des Lebens" werden geliebt, zitiert und adaptiert, und wenn jemand heute "Spam" für Viagra-Pillen in seinem E-Mail-Fach findet, kann er sich bei den Pythons bedanken.

In einem TV-Sketch ließen sie eine biestige Bedienung eines Imbisses fast nichts außer Spam, also Dosenfleisch, anpreisen: "Spam, Spam, Spam, gebackene Bohnen, Spam und Spam. . ." Die Pythons spammten die Welt mit ihren freidrehenden Humor zu, es war eine Frage der Zeit, bis sie "Spamalot" auf die Bühne brachten - das Musical zu ihrem Frühfilm "Die Ritter der Kokosnuss " rund um den pferdelosen König Artus und seine Tafelrunde am Hofe von Camelot, die auf der Suche nach dem Heiligen Gral allen guten Bekannten begegnen: dem Killerkaninchen, den Raubrittern vom Ni, der heiligen Handgranate, dem Schwarzen Ritter, der beim Duell auch mit abgetrennten Armen und Beinen nicht aufgeben will ("Einigen wir uns auf ein Unentschieden.") Im gewollt billig erscheinenden "Spamalot" gibt es noch etliches "Raubgut" aus anderen Python-Klassikern zu entdecken ("Always look on the bright side of life"), dazu Klischee-Schwule, Klischee-Franzosen, Klischee-Pfaffen, Flatulenzen sowie eine Neben-Story: Denn Artus und seine Hasenfüße sollen ein Musical aufführen, wobei natürlich das ganze Genre parodiert wird.

Buch, Texte und Lieder stammen im Original von Eric Idle persönlich, am Broadway führte 2005 Mike Nichols Regie, der Filme wie "Die Reifeprüfung" gedreht hatte, den Artus spielten Rocky-Horror-Star Tim Curry und später Shakespeare-Gigant Russel Beale. In Deutschland hatte "Spamalot" 2009 in Köln Premiere, mit Biolek als Historiker. Inzwischen hat sich der Kölner ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. In München wird ein Überraschungs-Prominenter zu sehen sein in der Rolle Gottes. Gezeigt wird übrigens die aktualisierte Version des Züricher Hecht-Theaters mit der Schweizer Moderatorin und Eurovision-Song-Contest-Kandidatin Sandra Studer als frustrierte Diva "die Fee vom See". Dass das Musical natürlich ohne die alten Pythons auskommen muss, deren Körper- und Mienenspiel einen Großteil des Charms ausmachte, findet Alfred Biolek "schon ein bisschen problematisch". Aber die Übersetzung sei gelungen, das Musical ein rechter Spaß, er habe es ja als Mitspieler oft genug gesehen und könne es "durchaus empfehlen". Und wessen Urteil könnte man hier vertrauen, wenn nicht seinem?

Spamalot, Mi., 24. Juni, bis So., 12. Juli, Premiere Do., 25. Juni, 20 Uhr, Deutsches Theater, Schwanthaler Str. 8, 21 83 73 00

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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