Japanische Mode in Bonn:Das Land des Stichelns

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Zerschnittener Tüll, Herrenmode mit Faltenrock: Die Bundeskunsthalle zeigt in Bonn mit "Dress Code" eine der aufregendsten Ausstellungen zur Mode. Leider versteckt sie sich hinter einem schwurbeligen Titel und viel Theorie.

Von Catrin Lorch

Deutsche Museen zieren sich, was Mode angeht, es erscheint hierzulande nicht angebracht, herausragende Modemacher einfach mal aus eigenem Recht zu zeigen. Sie dürfen, anders als Architekten oder Designer, nur ins Museum, wenn sie kulturhistorisch von Bedeutung sind. Oder für den Diskurs taugen, also irgendwas mit "Körperbildern" oder "Geschlechterfragen". Insofern ist man überrascht, im Eingang der Ausstellung "Dress Code" in der Bonner Bundeskunsthalle diesem knappen Dutzend hoher, heller Figuren zu begegnen.

Man muss zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um Herrenmode handelt, schon weil eine der eleganten Puppen einen hellgrauen, plissierten Wollrock als Teil eines Dreiteilers trägt. Dahinter schiebt sich eine breitschultrige Gestalt ins Bild in einem leuchtend pistaziengrünen Anzug, dessen Jackett seinem Träger eine weit geschwungene Uhrglas-Silhouette verleiht und Beine wie schmale Röhren. Die so dezent alle Konventionen der Herrenmode unterlaufenden Entwürfe der Label Comme des Garçons und Watson, Fagerstrom & Hughes sind auf einem schlichten Metallpodest aufgesockelt, auf dem auch pastellrosa Anzüge distinguiert und von oben herab auftreten können.

"Dress Code" besteht aus kaum mehr als diesen Laufstegen, die sich durch die Halle ringeln wie der Weg durch ein Labyrinth. Eine optische Metapher, die nahelegt, dass man sich hier ohne Umwege durch eine weitverzweigte Geschichte bewegt, die sich letztlich auf ein paar entscheidende Figuren eingrenzen lässt, die meisten sind Japaner. Denn auch wenn die Ausstellung "Dress Code. Das Spiel mit der Mode" heißt, ist sie in Wirklichkeit eine der seltenen Gelegenheiten, den enormen Einfluss von japanischen Couturiers auf Avantgarde und Mainstream nachzuvollziehen.

Japanische Mode wurde als "Hiroshima-Chic" gelabelt

Den Beginn dieser Wechselbeziehung kann man genau datieren: 1981 zeigten unter anderem Rei Kawakubo, die Gründerin des Labels Comme des Garcons, und ihr damaliger Gatte Yohij Yamamoto ihre Kollektionen erstmals in Paris. Es waren raffiniert zerschlitzte Kleider, Jacken ohne Ärmel, Hosen ohne Bügelfalten in monochromen Farben, zuweilen schreiendem Blutrot. Ihre Schauen waren ein internationaler Skandal, Kritiker labelten sie als "postatomaren Fetzen-Look" und " Hiroshima-Chic".

Dass die Modemacher aus Fernost die Konventionen der westlichen Schneiderkunst aber nicht zerstört, sondern nur einer neugierigen Dekonstruktion unterzogen hatten, übersahen die zutiefst verschreckten Kritiker. Doch wer sich jetzt in der Ausstellung aufmerksam die geometrisch zerschnittenen Röcke, die durch Tüll und Einlagen verbuckelten Umrisslinien, die zusammengeklitterten Stoffe von Junya Watanabes Kostümen ansieht, erkennt, wie sich hier eine absolute Modernisierung anbahnt. Am Ende steht John Gallianos Entwurf eines schulterfreien Abendkleides in Tarnmuster-Drillich, aber auch die beuligen Skater-Hosen und Bomberblousons, die auf der Street-Fotografie zu sehen sind, mit denen die Bundeskunsthalle die Präsentation rahmt.

Als Vergleich für diesen epochalen Wandel eignet sich eigentlich nur der enorme Schub, den die Malerei der Moderne durch Japan erfahren hat, ziemlich genau ein Jahrhundert zuvor. Nachdem sich Mitte des 19. Jahrhunderts das abgelegene Kaiserreich der Welt geöffnet hatte, steckten Künstler wie Claude Monet, Paul Gauguin oder Edouard Degas ihre Modelle in Kimonos und studierten Komposition und Kolorit japanischer Holzschnitte. Van Gogh - der sich auf einem Selbstbildnis für seinen Bruder Theo selbst als Zen-Mönch inszenierte - soll mehr als 600 Drucke besessen haben. "Nach einiger Zeit ändert sich deine Sichtweise, du schaust mehr mit einem japanischen Blick", schrieb er.

"Dress Code" provoziert solche Vergleiche schon wegen der ausgesuchten Qualität der Exponate, die überwiegend aus japanischen Sammlungen stammen. Das National Museum of Modern Art, Kyoto, und das Kyoto Costume Institute werden die Schau übernehmen, allerdings ohne das angehängte Fashion Lab, das in Bonn auch auf die Leistungen deutscher Modemacher wie Ayzit Bostan oder Hannibal verweist. Und sicher auch ohne das Heftchen, in dem Eva Kraus und Susanne Kleine darauf hinweisen, dass man hier "Themen wie Authentizität oder Markenfetischismus mit Exponaten inhaltlich systematisiert und visualisiert". Auf solche Thesen und Theorien hätte man genauso gerne verzichtet wie auf den oberflächlichen Ausstellungstitel, hinter dem sich eine der elegantesten und klügsten Modeausstellungen versteckt, die Deutschland je gesehen hat.

Dress Code. Das Spiel mit der Mode bis zum 12. September in der Bundeskunsthalle Bonn. Der Katalog kostet 26 Euro.

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