Nachruf:Mann des Wortes

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Der Regisseur und ehemalige Dortmunder Schauspieldirektor Michael Gruner ist gestorben.

Von Christine Dössel

Der Schauspieler, Regisseur und langjährige Schauspieldirektor des Theaters Dortmund Michael Gruner ist tot. Wie das Theater auf seiner Homepage mitteilt, starb Gruner am vergangenen Mittwoch im Alter von 76 Jahren.

Gruner war ein klassischer Vertreter und Mitgestalter des deutschen Stadt- und Ensembletheaters, ein Mann eher der zweiten Reihe, dort aber sehr umtriebig, patent und hoch geschätzt. Gruner, geboren am 1. Januar 1945 im vogtländischen Falkenstein, begann 1965 am Staatstheater Darmstadt als Schauspieler, geprägt vom poetischen Theater des Regisseurs Hans Bauer. 1966 war er einer der vier Darsteller in Claus Peymanns skandalträchtiger Uraufführung der "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke am Frankfurter TAT. Von 1970-1972 gehörte er dann zum Ensemble des Schauspielhauses Düsseldorf, wo er mit Büchners "Woyzeck" sein Regiedebüt gab. Seitdem arbeitete er als Regisseur, zunächst in Darmstadt unter der Intendanz von Günther Beelitz, dann ab 1976 wieder in Düsseldorf, wohin er mit Beelitz zurückkehrte. 1980 wurde er als regelmäßiger Regiegast ans Hamburger Thalia-Theater verpflichtet. Gruner inszenierte aber auch am Münchner Residenztheater und am Schauspiel Frankfurt, war Oberspielleiter in Stuttgart und Gast am Wiener Burgtheater ebenso wie am Deutschen Theater Berlin. Dort wurde seine Inszenierung von Tankred Dorsts Nachwendestück "Herr Paul" (1994) mit dem alten Kurt Böwe in der Titelrolle ein Bühnenrenner.

Gruner war ein literarisch denkender und vorgehender Regisseur, der Text bildete die Basis seines Theaters. Sein besonderes Interesse galt lange den Dichtern des Expressionismus. Das Theater Dortmund, wo er von 1999 bis 2010 Schauspieldirektor war, fiel unter seiner Leitung künstlerisch zwar nicht groß auf - überregionale Aufmerksamkeit erregte erst sein Nachfolger Kay Voges -, menschlich aber soll Gruner sehr beliebt gewesen sein, sowohl im Haus als auch in der Stadt. Zuletzt inszenierte er an kleineren Theatern wie dem Nestroyhof Hamakom in Wien, wo er im März, noch im Lockdown, das Kriegsdrama "Herbst der Untertanen" von Nino Haratischwili erarbeitete. Die pandemiebedingt auf Januar 2022 verschobene Live-Premiere wird Michael Gruner nun nicht mehr erleben.

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