Michael-Ende-Abend:Der Funke Zuversicht

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Rund um seinen 90. Geburtstag erinnern Hommages an den großen Jugendbuchautor

Von Antje Weber

Zeit-Sparern gehört die Zukunft!" oder "Zeit ist (wie) Geld - darum spare!" Das sind so die Sprüche der grauen Herren in Michael Endes Jugendbuch "Momo". Dabei geht es den sogenannten Zeit-Sparern, die durch ihr Leben hetzen, natürlich mitnichten besser: Sie können keine richtigen Feste mehr feiern, Träumen gilt bei ihnen fast als Verbrechen, und weil sie auch die Stille nicht ertragen, machen sie jede Menge Lärm.

Liest man das Buch "Momo" über die Zeit-Diebe heute wieder, kommt man nicht umhin festzustellen: Das Thema ist von zeitloser Brisanz. Und auch wenn Endes Werk mit einem gewissen Recht unter Kitsch-Verdacht steht, ist es ihm doch gelungen, unvergessliche Bilder und Figuren zu schaffen - von den Stunden-Blumen über Beppo, den Straßenkehrer, oder die Schildkröte Kassiopeia bis natürlich zu Momo, jenem Mädchen, das gefährlich gut zuhören kann. Anlässlich von Michael Endes 90. Geburtstag, den zu feiern dem Münchner Schriftsteller (1929-95) selbst nicht vergönnt war, ehren ihn nun Freunde und Fans - natürlich nicht nur für "Momo", sondern auch für Werke wie "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" oder "Die unendliche Geschichte". In München wird die Internationale Jugendbibliothek, die seinen Teilnachlass und ein kleines Ende-Museum beherbergt, zum Beispiel im Februar ein Symposium ausrichten. Und im Literaturhaus will nun ein Abend mit Lesungen, Filmausschnitten und Musik den Lesern von heute die Welt von Michael Ende näherbringen.

Wie auch sein Leben: "Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit" (Eisele Verlag) hat die Autorin Charlotte Roth, damit aus "Momo" zitierend, ihre Biografie genannt. Oder nein, halt, es ist "der Roman eines Lebens". Dass man den Schriftsteller wiedererkennen möge, wünscht sich die Autorin natürlich schon. Doch nicht alle Fakten seien "erkenn- und nachschlagbar". Dass sich Roth, die aus London zur Ende-Nacht anreist, bestens eingearbeitet hat, dafür bürgt aber schon Roman Hocke, der das Werk "inhaltlich kuratiert" hat: Der Literaturagent war mit Ende befreundet und lange sein Lektor.

Außerdem, das weiß man nach der Lektüre dieses Romans, war dessen Vater Gustav René Hocke einst sehr wichtig für Ende: nicht nur als Nachbar, als er für einige Jahre ins italienische Genzano di Roma zog. Sondern auch als Autor, der ihn im Innersten verstand: Hockes Buch "Die Welt als Labyrinth" über Manierismus beeinflusste nicht nur Endes Vater Edgar in seiner fantastischen Malerei, sondern beschrieb auch das Wesen Michaels. Beschrieb "seinen Hang zum Absonderlichen, Befremdlichen, Wirklichkeitsfernen, das so wirklichkeitsfern gar nicht war", wie Roth schreibt, "sondern die Antwort auf eine Wirklichkeit, die den Halt verlor, sich selbst ad absurdum führte."

Einen Hang zum Absonderlichen hatte Michael Ende schon früh entwickelt, in behüteten ersten Kinderjahren in Garmisch, in denen die abseits bürgerlicher Normen lebenden Eltern ihn mit Mythen und Märchen gegen die Wirklichkeit impften. Als sie nach München ziehen, als Edgar Endes Bilder bald den Nationalsozialisten als "entartet" gelten und nach harten Kriegsjahren München (und auch die Ehe) in Schutt und Asche liegt, hat die Wirklichkeit die Familie eingeholt. Michael Ende entscheidet sich für ein Leben als Schwabinger Bohemien und will der tristen Gegenwart Geschichten entgegensetzen. Erfolg hat er zunächst wenig, mehr schon bei den Frauen. Irgendwann lebt er in zermürbender Spannung samt Geldsorgen zwischen seiner Ehefrau, der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, und der omnipräsent fürsorglichen Mutter.

Endes nicht immer unkompliziertes Leben vor und auch nach dem Erfolg, der sich mit Kinderbüchern wie "Jim Knopf" (1960) einstellt, beschreibt und analysiert die Romanbiografin Roth einfühlend und schwungvoll. Als der Schriftsteller 1995 in München beerdigt wird, haben seine Bücher eine Auflage von 15, heute 30 Millionen erreicht, sind für Film und Theater adaptiert worden. Vom Publikum wurde Michael Ende immer mehr geliebt als von den Kritikern, und so lässt Roth am Ende eine alte Frau stellvertretend die Gründe erklären: "Er kommt uns nah", sagt diese, "weil er seine Welten, so zerstört sie auch sein mögen, nie entleert oder sinnlos macht. Weil er uns einen Funken Zuversicht zurückgibt, ohne den wir ja die Welt auch nicht verändern könnten." Weil, so könnte man ergänzen, Träumen bei ihm nicht als Verbrechen gilt.

Michael-Ende-Abend , Freitag, 6. Dezember, 19.30 Uhr, Literaturhaus, Salvatorplatz 1

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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