Mein Lied (3): Stefanie Stappenbeck:"Es macht mich stark"

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Schauspielerin Stefanie Stappenbeck hat von Ani DiFrancos Lied "Gratitude" gelernt, Grenzen zu setzen. Ein Gespräch über die Macht der Männer, Dankbarkeit - und die Besetzungscouch.

Katharina Riehl

Die Schauspielerin Stefanie Stappenbeck, 36, ist eines der großen Nachwuchstalente unter den deutschen Schauspielerinnen. Die Tochter eines Theologen wuchs in Ostberlin auf und wurde mit elf Jahren fürs DDR-Fernsehen entdeckt. Im vergangenen Jahr wurde sie als die neue Kommissarin im Münchner Polizeiruf 110 bekannt - doch nach dem Tod ihres Partners Jörg Hube wurde auch Stappenbeck nicht weiter verpflichtet. Im Fernsehen zu sehen ist sie trotzdem ständig. Auf die Frage nach ihrem Lieblingslied schickt Stefanie Stappenbeck schon ein paar Stunden später den Link zu Ani DiFrancos "Gratitude".

"Ich kenne das auch, dass jemand nett zu einem ist, und man hat das Gefühl, man müsse sich dankbar zeigen. Nicht im sexuellen Sinne - da geht es um Zeit, Aufmerksamkeit, Geld": Schauspielerin Stefanie Stappenbeck. (Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Über die Frage nach Ihrem Lieblingslied scheinen Sie ja nicht allzu lange nachdenken zu müssen.

Stefanie Stappenbeck: Ani DiFranco ist meine Lieblingssängerin seit ich 24 bin. Sie begleitet mich schon so lange und ich werde einfach nicht müde, ihre Musik zu hören. Sie geht mir immer wieder ins Herz, sie ist eine kluge Frau mit tollen Texten.

sueddeutsche.de: Ist Ani DiFranco eine Vorbildfrau? Immerhin hat sie mit 18 Jahren schon ihr eigenes Label gegründet.

Stappenbeck: Sie ist schon ziemlich cool, ein unerreichbares Vorbild. Schon allein in ihrer Sexualität, sie hat mit Frauen gelebt und mit Männern, sie hat gesagt, sie will nie Kinder, jetzt hat sie plötzlich doch eins. Das ist es vielleicht, was mich so bewegt: Sie fühlt sich so frei an.

sueddeutsche.de: Das Lied selbst ist aber eher gruselig.

Stappenbeck: Es geht um jemanden, der dankbar ist. Die Stimme bedankt sich dafür, dass man sie mitgenommen hat und bei sich schlafen lässt - doch dann kippt die Stimmung. Der, dem sie eben noch dankbar war, versucht die Situation auszunutzen.

sueddeutsche.de: Sie singt: "What does my body have to do with my gratitude/ Was hat mein Körper mit meiner Dankbarkeit zu tun."

Stappenbeck: Ich musste über den Text viel nachdenken. Ich kenne das auch, dass jemand nett zu einem ist, und man hat das Gefühl, man müsse sich dankbar zeigen. Nicht im sexuellen Sinne - da geht es um Zeit, Aufmerksamkeit, Geld. Alles, mit dem man Leuten eine Freude machen kann. Und wo sie einen richtig aussaugen können. Das ist oft eine ziemlich feine Linie.

sueddeutsche.de: Die Sie häufig überschritten haben?

Stappenbeck: Ich bin früher sicher oft weitergegangen, als ich es eigentlich wollte. Eigentlich passiert mir das heute immer noch. Weil man denkt, es gehöre sich so. Und man vergisst dann, wo die Grenzen sind, die eigenen und auch die des anderen.

sueddeutsche.de: Und das Lied zeigt diese Grenzen?

Stappenbeck: Gerade junge Frauen, mich eingeschlossen, müssen lernen "Stopp" zu sagen. Das Lied hat mir geholfen, das zu lernen. Man reicht jemandem den kleinen Finger, der nimmt die ganze Hand, und man denkt dann: Jetzt häng ich schon so drin, jetzt muss ich auch weitermachen. Der Song war in einer Phase meines Lebens wichtig, in der ich gelernt habe, Grenzen zu setzen.

sueddeutsche.de: Ist das in Ihrer Branche ein besonderes Problem? Man denkt bei dem Lied ja sofort an die Besetzungscouch . . .

Stappenbeck: Ich glaube, das ist alles nicht mehr so, wie es bestimmt in den dreißiger und vierziger Jahren mal war. Ich habe das noch nie erlebt. Auch wenn es natürlich überall Leute gibt, die ihre Machtposition ausnützen, egal ob es Regisseure sind oder Chefs bei Ihren Sekretärinnen.

sueddeutsche.de: Ein Frauenlied also?

Stappenbeck: Eigentlich ist das ein klassisches Frauenthema, aber wir haben ja an den ganzen Missbrauchsfällen gesehen, dass es auch Jungen betrifft. Wer schwächer ist, der läuft Gefahr, missbraucht zu werden - in jeder Hinsicht. Aber Männer sind einfach meistens stärker.

sueddeutsche.de: Macht Ihr Lieblingslied Sie nicht furchtbar traurig?

Stappenbeck: Ich habe eher das Gefühl, dass es mich stark macht. Wenn ich mich unsicher fühle, einen stressigen Tag hatte, dann erdet mich das Lied. Es fordert mich auf, dankbar zu sein, auch wenn etwas Blödes passiert. Und dass ich eben auch "Stopp" sagen darf. Für mich steckt auch darin, dass man Menschen, die einem an einer Ecke geschadet haben, trotzdem auch dankbar sein kann.

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