Mediaplayer:Teufelsausritte

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Mediabücher nobilitieren heute ein zum Teil zu Recht vergessenes Filmgut. Die Lust am Schauen, die durch den Nachschub aus den Kino-Traumfabriken einst befriedigt werden konnte, wird so abgelöst durch den Kultwert einzelner Filme.

Von Fritz Göttler

Doktor Monserrat schlurft den Gehsteig entlang, muss sich mit einem Ladenbesitzer herumschlagen, der den Reklamezettel für seine Praxis aus dem Schaukasten genommen hat, er möchte Geld vom Doktor, zu Hause wartet die Frau, will wissen, wann es so weit ist - mit dem großen Experiment. Also lockt der Doktor einen jungen Mann zu sich, setzt ihn in einen Hypnoseapparat. Von nun an können die beiden Alten den Jungen mit ihren Geisteskräften manipulieren, ihn anstiften zu unerhörten Taten, einen Pelzmantel stehlen, den Freund verprügeln, ein Mädchen abstechen. Die Lust an der Übertretung, wilde Erfahrungen für das greise Paar.

"The Sorcerers" heißt der Film, ein böser Blick auf die Swinging Sixties von London, die Alten sind ins Abseits verdrängt, die Jungen lassen sich in billigen Clubs zudröhnen. Es ist der vorletzte Film von Michael Reeves, danach drehte er noch den legendären Hexenjäger mit Vincent Price, ein Jahr später starb er an einer Überdosis Barbiturate, mit 25 Jahren. Unter dem deutschen Titel "Im Banne des Dr. Monserrat" ist der Film als Bluray wieder aufgelegt, als kompaktes "Mediabook" mit Begleitheft und Audiokommentar, und das Artwork des Titels bedient sich lustvoll der dämonischen Aura von Boris Karloff, der den Doktor spielt. Doch es ist die Frau, die mit ihrer Lust auf Neues den Film in die Tragödie steuert.

(Foto: N/A)

Mit dieser Diskrepanz - ein schmutziges kleines Ding, kunstvoll verpackt und beworben - steht der Film nicht allein. Seit letztem Jahr wächst die Schar der edlen Editionen, während die DVD-Grundversorgung in Sachen Filmgeschichte lückenhafter wird. Das ist ein Endzeit-Phänomen, das Medium der Scheiben hätte keine Zukunft, so die Prognose, die gehöre den Streamingdiensten. Der Gebrauchswert des Kinos, die Lust am Schauen, die durch ständigen Nachschub aus den Kino-Traumfabriken einst befriedigt werden konnte, ist abgelöst durch den Kultwert einzelner Filme und die Kultisierung, der sie unterzogen werden. Mediabücher sind fürs Bücherregal gedacht. Immer wieder gibt es, nicht unbedingt sinnvoll, DVD und Bluray in einer Ausgabe. Wenige bieten zusätzlich eine Fassung in 4K und Ultra HD an. Viele haben verschiedene Titelbilder, und man kann bei der Bestellung wählen. (Hier abgebildet zwei Cover zu "The Devil Rides Out".) Das Beiwerk, zwischen kundiger Lust und Geplapper, macht die Dinger zu einer Art historisch-kritischer Edition. Auch Kritiker reagieren mit beglückter Erschöpfung auf zehn Stunden Bonusmaterial, die den verschiedenen Fassungen von Coppolas "Apocalypse Now" beigepackt sind.

Bei Hollywoods großen Historienstücken wirkt die Aura des Luxuriösen und Pompösen irgendwie angebracht. Am intensivsten aber findet Kultisierung statt beim Horrorkino. Kult-Spitzenreiter ist seit langem Quentin Tarantino. Man kann eine Ausgabe seines "Kill Bill" für über vierzig Euro erwerben, pro Teil, wohlgemerkt, auch "Four Rooms", den er gemeinsam mit drei Freunden machte, ist in diese Preisklasse geraten.

Veredelt sehen sich nun billige Produktionen, Graf Zaroff und sein "Most Dangerous Game", die "Insel der verlorenen Seelen", "Rebellion in der Tiefe", ein fieser "Rasputin", aber auch "Rote Flut", John Milieus' Vision einer Invasion der amerikanischen Küste durch kommunistische Kräfte. Eben ist eine Edition der Filme von William Castle gestartet, der seine Filme gern mit Gimmicks versah, einem fliegendem Skelett im Zuschauersaal. Der unheimliche Mr. Sardonicus ist eine seiner letzten Horrorproduktionen, fast gediegener Schauer um einen Mann, dem durch die Begegnung mit dem Kadaver seines Vaters die Gesichtszüge eingefroren sind. Und es gibt "The Devil Rides Out", von Terence Fisher, der vielen, seinen Star Christopher Lee eingeschlossen, als der Meister des Hammer-Horrors gilt. Ein Trupp Teufelsanbeter im ländlichen England der Zwanziger, Kampf zwischen Finsternis und Licht, auf beiden Seiten mit naiver Unerbittlichkeit geführt.

Die Auflagen dieser Editionen sind streng limitiert, manchmal nummeriert, man gliedert sich mit Ihnen in den geschlossenen Zirkel der Fans und Verehrer ein. Es ist eine Entwicklung, die jene in den Sechzigern und Siebzigern reflektiert, der Vor-Video- und Werkstattkino-Zeit, als der Begriff der Filmkunst unbrauchbar geworden war, als man das archaische Geheimnis des Kinos in den billigen "B pictures" erkennen und feiern wollte, in Reproduktion und Travestie, Handwerk und Bastelei, dem Autokino. Die Edition von "The Blob", dem Horrorkultfilm von 1958, mit Steve McQueen, in dem eine wabblige Masse aus dem All sich auch in ein Kino hineinschleimt, reproduziert das Cover der alten VHS-Ausgabe. Reine Nostalgie, die heimliche Sehnsucht des Marktes.

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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