Mediaplayer:Tanz ins Licht!

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"Dog Eat Dog" ist ein radikaler dunkler Film von Paul Schrader. Es geht um drei runtergekommene Kriminelle, die noch immer vom letzten großen Ding träumen.

Von Fritz Göttler

"Sei kühn!", lautet das Motto dieses Films und des Filmemachers Paul Schrader, be bold, also setzt er seinen Rausschmeißer gleich an den Anfang. Eine Warnung an die Ungläubigen, um sie aus dem Theater zu treiben. Eine Szene, die den Leuten zeigen soll: Wenn ihr das hier ernst nehmt, seid ihr im falschen Film. Willem Dafoe hat bei seiner Freundin Unterschlupf gesucht in ihrem grausam rosafarbenen Apartment. Sie will ihn eigentlich loswerden, er umgarnt sie auf dreist kümmerliche Art, aber dann dreht er plötzlich durch, und da ist auch noch ihr Töchterchen . . . Dafoe entwickelt hier wüste Fratzen und mörderische Kräfte, die Jack Nicholson in "The Shining" wie einen grimassierenden Kasperl aussehen lassen.

Von Anfang an, schon mit dem Drehbuch für Martin Scorseses "Taxi Driver", hat Paul Schrader film noir gemacht, radikales schwarzes Kino, das oft in blutigen Slapstick mündet, film noir-et-rouge, für das er sich auf seine Lehrmeister Stendhal und Robert Bresson beruft. Seine Helden sind Asketen, mit einer Liebe zum Formalismus und einem Hang zum Fanatismus. Die Filme sind schmutzig und paranoid an der Außenseite, aber im Innern von unvorstellbarer Reinheit. Einer Reinheit, die sich dem Glauben ans Kino verdankt, der bei Schrader überlebt, auch wenn er für den aktuellen kommerziellen Kinobetrieb nichts als Verachtung übrighat - Filmtheater sind out, sagt er, und stellt sich auf die neuen Medien ein, Fernsehen, Netflix, Youtube.

"Dog Eat Dog" ist nun die Summe seiner Erfahrungen der letzten Kinojahre, mit Filmschulabsolventen gedreht, dem Recht auf den final cut, und der Entschlossenheit, keine Kompromisse einzugehen. Es geht um drei wirklich abgefuckte Kleinkriminelle - Nicolas Cage, Willem Dafoe und Christopher Matthew Cook -, die immer noch vom letzten großen Ding träumen, im Samurai-Stil, und immer wieder in dummen Koksorgien versumpfen. Sind sie noch zu retten? Ist Amerika noch zu retten? Selbstzerstörung und Erlösung gehen hier zusammen zu einem furiosen Tanz. Eine Erlösung war auch das Projekt selbst - Schrader hatte zuvor mit Cage den Film "Dying of the Light" gemacht, der ihm ihnen vom Produzenten verstümmelt worden war. Diesen Fleck wollten sie mit dem neuen Film von ihren Anzügen kriegen - Erlösung, die auch etwas von einer Rache hatte. Der Film entstand nach einem Roman von Eddie Bunker (1933 bis 2005), der im Gefängnis San Quentin zu schreiben begann, später in Filmen spielte wie "Long Riders" von Walter Hill oder "Reservoir Dogs" von Quentin Tarantino - Mr. Blue.

Paul Schrader selbst spielt in "Dog Eat Dog" El Greco, den Griechen, einen Gangster-Impresario, der dem Trio trotz schlimmer Erfahrungen immer wieder einen Auftrag zuschanzt. Als Troy (Nicolas Cage) ihn dann informiert, wie schlimm der letzte danebenging, ein wirres Kidnapping, legt Greco resigniert den Hörer auf, da weiß man: Dem Trio ist nicht mehr zu helfen, jetzt bleibt ihm nur noch ein ehrenvoller Abgang.

Es ist eine aufregende Erfahrung, den neuen Film von Schrader neben dem neuen Film von Martin Scorsese zu sehen, "Silence", der eben in den Kinos anlief. Schrader ist stark vom Japanese style inspiriert, mit seinem Bruder Leonard, der in Tokio lebte, hat er in den Siebzigern das Drehbuch zu "Yakuza" geschrieben. Auch "Silence", der Roman von Shūsaku Endō, hat ihn fasziniert: "Vor vielen Jahren, als ich ,Mishima' gemacht hatte, wollten Leute in Japan einen anderen Film mit mir drehen. Ich sagte: Ich mache ,Silence', Marty wird diesen Film nie machen. Wir schauten also, wie wir ihm die Rechte an dem Roman abluchsen könnten. Er erwischte mich dabei und ich sagte: ,Marty, du wirst diesen Film nie machen!' Und er: ,Yes I am! Yes I am!'"

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Keine Kompromisse. Keine Regeln. Renn und lass dich nicht einholen! Be bold! Schrader schreckt vor nichts zurück. Am Ende hat Nicolas Cage eine himmlisch schöne Szene in transzendentem Licht. Er imitiert Bogart und wirkt endlich ganz bei sich. Früher waren nicht die Filmemacher besser, erklärt Paul Schrader, sondern das Publikum. "Wenn eine Gesellschaft sich an die Künstler wendet, um Antworten zu finden, entsteht große Kunst. So einfach ist das."

"Dog Eat Dog" ist auf DVD (9,94 Euro) und Bluray (12,94 Euro) bei New KSM erschienen.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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