Mediaplayer:Genre der Zerrissenheit

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Western nehmen einen beachtlichen Platz in den DVD-Reihen ein, jeden Monat gibt es Neuerscheinungen. Sie sind eine eigene Form, amerikanische Geschichte zu reflektieren - und sei es mit einem Auftritt der Barfrau, die zur Bürgermeisterin wird.

Von Fritz Göttler

Quantrill war in der Armee der Südstaaten und machte sich dann selbständig, mit berüchtigten Raubzügen. Er gehört zu den "Renegades and raiders", einer neuen Rasse, die der Bürgerkrieg hervorgebracht hat, wie uns zu Beginn des Westerns Woman They Always Lynched/Am Tode vorbei erklärt wird, den Allan Dwan 1953 gedreht hat. Die USA, das Land, durch das der große Riss geht zwischen Nord- und Südstaaten. Der Film spielt in Border City, genau auf der Grenze zwischen Arkansas und Missouri. Soldaten beider Armeen müssen sich von ihr fernhalten, so ist es bürgermeisterlich festgesetzt. Der Bürgermeister ist eine Frau, kein Mann hatte sich bereiterklärt, diesen riskanten Posten zu übernehmen: Kate Quantrill, die Frau des Bandenchefs. Sie hat auch ein Lieblingslied, "All My Life", und als sie mit ihrem Mann in die Stadt kommt, singt sie es gleich im Saloon, wo sie einst Sängerin war, und manchmal streicht sie mit der Hand beim Singen leicht über den Colt, den sie am Gürtel trägt. Sie will den Mann provozieren, den sie liebte und der sie immer noch liebt. So viele Grenzen werden in diesem Film überschritten, zwischen Nord und Süd, Gesetz und Willkür, Frau und Mann ... (Western Perlen)

Der Western ist ein Genre der Zerrissenheit, gerade in den Fünfzigern, Western nehmen heute einen beachtlichen Platz in den DVD-Reihen ein, jeden Monat gibt es ein halbes bis ganzes Dutzend Neuerscheinungen. Sie sind eine eigene Form, amerikanische Geschichte zu reflektieren, die Geburt einer Nation und die Arbeit an ihrer Gesellschaft, und sie liefern irritierende Echos zur Lage in Amerika heute - es ist, als wären die Grenzen und Risse nie aufgelöst worden, und es brauchte nur einen Mann so skrupellos wie Quantrill, um sie wieder zur Wirkung zu bringen. Sidewinder wird der sinistre Unbekannte genannt in Die roten Teufel von Arizona/Flaming Feather von Ray Enright (Western Classic Collection). Eine Schlange, die sich, die Seiten windend, an ihre Opfer herangewagt. Mit einer Bande Indianer überfällt der Sidewinder kleine Farmen, er wird von Sterling Hayden gejagt und von Forrest Tuckers Kavallerietrupp, und die beiden schließen eine Wette ab, wer den Sidewinder entlarven wird.

Nicht willkommen in den Saloons Kaliforniens ist Jacob Wade (Jack Palance in einer tollen Hauptrolle), er war mal ein Revolverheld, nun ist er Der Einsame in dem Film von Henry Levin (1957), und fängt Pferde ein in der Sierra Nevada. Zu seinen Gegnern gehören Neville Brand und Lee Van Cleef. In einem der Saloons findet er seinen Sohn Riley (Anthony Perkins), der von ihm nichts mehr wissen will, er nimmt ihn mit, und zusammen mit seiner Gefährtin, der jungen blonden Ada (Elaine Aiken), die Jacob einst aus einer Bar geholt hatte, und einem Kumpel versuchen sie, einen weißen Mustang einzufangen. (White Pearl Classics)

Ein lakonischer Hilfssheriff ist Audie Murphy in Die gnadenlosen Vier/Posse from Hell (1961) von Herbert Coleman, er hetzt mit einem kleinen Trupp vier Banditen hinterher, unter ihnen wieder Lee Van Cleef, die das Städtchen Paradise überfallen haben (mit Geiselnahme). Die mise-en-scene, wie Herbert Coleman auch in den Ebenen und Bergen den Raum um die Figuren mitinszeniert, erinnert an Hitchcock, Coleman war in den Fünfzigern beim Meister Assistent und second unit director, von ihm sind die langen Autofahrten in Vertigo. (Koch Media)

Vom Meister des Western ein seltener Film, erstmals bei uns auf DVD: Sergeant Rutledge, von 1960 (Maritim Pictures). Ein Militärgericht in einer kleinen Garnison, Rutledge ist angeklagt, er soll ein junges Mädchen vergewaltigt und dessen Vater erschossen haben, die Zuhörer im Saal wollen ihn aufhängen. Er floh, wurde eingefangen, marodierende Indianer ziehen durch die Wüste des Monument Valley. Ein John Ford mit sehr viel Tiefschwarz. Woody Strode ist der "Schwarze Sergeant" Rutledge, ein Afroamerikaner, in einer Einheit, die ganz aus Schwarzen besteht. Er weiß, was ihm droht, aber er will irgendwann nicht mehr davonlaufen: "I'm no swamp-running nigger, ich bin ein Mensch." Die Armee ist seine Heimat. Die Parolen der Bürgerrechtsbewegung stecken in vielen Szenen, von Ford mit brutalem Pathos inszeniert. Und der gemeine, groteske Rassismus der Weißen, der noch übrig blieb vom Bürgerkrieg. Bei ihrer Aussage erklärt die Frau des Gerichtsvorsitzenden, zufällig eine Zeugin, natürlich könne sie sich an den genauen Zeitpunkt erinnern, weil gerade da die kleine Uhr auf der Konsole schlug. Die kleine China-Uhr mit den gemalten Blumen drauf, die du gestohlen hast, als deine Männer Atlanta niederbrannten.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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