Little Britain:Löwin auf Beutezug

Lesezeit: 2 min

Cornwall ist ein beliebtes Wochenendziel für die Londoner. (Foto: REUTERS)

Ganz London macht Osterurlaub in Cornwall und alle Mietwägen sind bereits vergeben - bis auf einen. Dieses Rennwägelchen zieht mal Mitleid, mal Hass auf sich und klingt wie ein angriffslustiges Raubtier.

Von Christian Zaschke, London

Einen soliden Mittelklassewagen hatte ich bei der Autovermietung bestellt. Auf dem Foto im Internet sah er so grau und langweilig aus, dass ich ihn sofort lieb gewann. Er war bezahlbar, klobig und noch fader als ein Golf. In diesem stinköden Auto, das beschloss ich, würde ich zu Ostern gelassen nach Cornwall gondeln, wo ich in einem Küstenhotel versuchen wollte, vier Tage lang an ziemlich genau nichts zu denken.

Bei drei Autovermietungen hatte man mir zuvor erklärt, dass sämtliche Mietwagen Londons seit Wochen reserviert seien, weil drei Viertel der Stadtbewohner über das lange Wochenende in die Cotswolds reisen, während das restliche Viertel Cornwall ansteuert, um dort an der Küste an ziemlich genau nichts zu denken. "Kommse gleich vorbei", sagte Autovermietung Nummer vier, als ich wegen des grauen Wagens anrief, "aber schnell."

Der Mann am Schalter füllte einen hübschen Stapel an Formularen aus, er buchte einen Haufen Geld von meiner Kreditkarte ab, dann sagte er: "Glückwunsch, Sie kriegen ein Upgrade." "Das ist wirklich nicht nötig", sagte ich. "Sagen wir es so", beschied der Schaltermann: "Sie kriegen den letzten Wagen, den wir haben." So geriet ich an den Renn-BMW.

Wenn ich an einer roten Ampel stand, blickten mir die Passanten direkt ins Gesicht. Sie wollten sehen, welcher armselige Trottel sich in einen Wagen faltet, der ungefähr hüfthoch ist und über einen Motor verfügt, der selbst im Leerlauf klingt wie eine nahende Gewitterfront. Wenn ich beim Anfahren das Gaspedal ganz leicht mit der Spitze des großen Zehs berührte, sprang der Wagen vorwärts wie eine Löwin auf Beutezug und klang dabei wie eine Staffel Düsenjäger im Tiefflug. In diesen Momenten wich die Verachtung aus den Blicken der Passanten und machte Platz für reinen, unverfälschten Hass.

So röhrte ich rüber nach Cornwall. Mit donnerndem Getöse traf ich am Küstenhotel ein und stellte das Geschoss auf dem Parkplatz ab. Ich konnte spüren, wie sämtliche Gäste in diesem Moment zusammenzuckten. Einige Tagesausflüge später wusste wirklich ganz Cornwall von der Ankunft des Monsters.

Während der gesamten vier Tage dachte ich nicht eine Sekunde lang an nichts. Aber, das immerhin, manchmal an fast nichts. Dann röhrte ich zurück in die Stadt. Sehr, sehr vorsichtig steuerte ich den Wagen aus dem dichten Londoner Verkehr zurück auf den staubigen Parkplatz der Autovermietung. "Na, wie war's?", fragte der Schaltermann. "Es war herrlich", sagte ich wahrheitsgemäß.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: