Literaturgeschichte:Eine gute Ehe

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Emilie & Theodor Fontane: Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles. Ein Ehe in Briefen. Herausgegeben von Gotthard Erler. Aufbau Verlag, Berlin 2018. 320 Seiten, 18 Euro. (Foto: Verlag)

Von Jens Bisky

Emilie Fontane kannte sich aus mit den Romanen ihres Mannes. Sie schrieb die Manuskripte ab. Wer sonst hätte sich im Durcheinander der Korrekturen, Ergänzungen, Notizen zurechtgefunden? Am 11. Juni 1884 verglich sie seine Werke mit Adolph Menzels Gemälde "Piazza d'Erbe in Verona": "es wirkt erst wie ein Sammelsurium u. macht auf mich als Ganzes gar keinen Eindruck. Verzeih, auch darin Deiner Produktion etwas ähnlich. Aber die Details, die kostbaren, interessanten Details, ich konnte mich gar nicht losreißen ...; es erfüllt mich wie Ehrfurcht, vor diesem Fleiß". Zu gern wüsste man, welches Gesicht Theodor Fontane zog, als er das las.

Solche freundlichen Tritte vors Schienbein halten nur gute Ehen aus. 1850 hatten der dichtende Apotheker und Emilie Rouanet-Müller-Kummer geheiratet. Sie blieben beieinander, fanden Wege, mit Geldsorgen, seinem Egoismus, ihren Stimmungen, mit Kränkungen, Enttäuschungen zu leben. Sie etwa musste ertragen, dass er Stellen, die ein Auskommen garantierten, wieder aufgab, ohne seine Entscheidung vorher mit ihr zu bereden; dass er ein freies Dasein "den Alltagskarrieren mit ihrem Zwang, ihrer Enge und wichtigtuerischen Langeweile vorzog", wie er einer Freundin schrieb.

Mit den Einzelheiten der Fontane'schen Halb-Jahrhundert-Ehe sind wir gut vertraut. 1998 erschien der Ehebriefwechsel in der "Großen Brandenburger Ausgabe". Die drei Bände mit ihren 2400 Seiten passen nicht ins Reisegepäck. 123 Briefe, 32 von ihr, 91 von ihm, hat Gotthard Erler für diesen Band ausgewählt, einen kleinen Teil der 750 überlieferten. Aber es ist Neues dabei: Theodor Fontanes Brief aus Bad Kissingen, 28. Juni 1889, erscheint zum ersten Mal in Buchform; andere Briefe, bislang nur in Abschriften überliefert, konnten nach den wieder aufgetauchten Originalhandschriften abgedruckt werden. In kurzen Einleitungen erzählt Gotthard Erler, was zum Verständnis nötig ist, skizziert den unsicheren, an Wendungen reichen Lebensweg Theodor Fontanes und seiner "lieben, guten Frau".

Allabendlich besprachen sie die Neuigkeiten des Tages, Nachrichten von Freunden und Bekannten, Kunstereignisse, auch Politisches. Und so führten sie auch ihre Korrespondenz, als Ersatz für die "Papel-Stunden".

Emilie war 42, als ein gerade empfangener Brief ihres sechs Jahre älteren Mannes sie ganz aus der "Contenance" brachte: "das Blut stieg mir in's Gesicht u. ich lief schleunigst in mein Zimmer um allein zu sein. Wie wunderbar doch geschriebene Worte wirken ...".

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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