Literatur:Immaterielles Weltkulturerbe

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Pflichtlektüre zu 150 Jahren Volksfest Mühldorf am Inn

Von Alex Rühle, Mühldorf

Die Deutschen lieben Bier. Sie lieben Geselligkeit und laute Musik. Und sie fahren wahnsinnig gern für viel Geld zweckfrei in der Gegend rum. Wenn man all das auf einmal macht, also viel Bier trinkt, begeistert rumhockt und immer wieder zwischendurch für viel Geld und zu lauter Musik im Kreis fährt, nennt man das Ganze Volksfest.

Deutschland ist weltweit Volksfestland Nummer eins, landauf landab gibt es 9900 Volksfeste, und es gab sogar ernst gemeinte Bestrebungen des deutschen Schaustellerbundes, das Deutsche Volksfest von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Die Herren und Damen von der Unesco haben das bisher nicht eingesehen, vielleicht mögen sie kein Bier, vielleicht hocken sie nicht so gern in Zelten rum, vielleicht waren sie auch auf dem falschen Volksfest. Wären sie mal nach Mühldorf am Inn gefahren. Da hätten sie alles auf einmal gehabt, sehr gutes Unertl-Bier, laute Musik und extrem viel Geselligkeit, weil: Wenn jemand gesellig ist, dann der Bayer, jedenfalls wenn er viel Bier getrunken hat.

Am kommenden Freitag geht es wieder los, und zwar noch volksfestlicher als sonst, weil: Jubiläum! Das Mühldorfer Volksfest wird 150 Jahre alt, weshalb jetzt ein Buch erscheint, in dem der Mühldorfer Stadtarchivar Edwin Hamberger und der Volkskundler Norbert Stellner die Geschichte, die Bedeutung und den Wandel dieses Festes letztgültig untersucht haben: "Weil's gar so zünftig ist. 1865 - 2015. 150 Jahre Volksfest Mühldorf am Inn" (Stadt Mühldorf Stadtarchiv, 276 Seiten, 18,65 Euro). Wer also am Freitag beim Biertrinken nicht nur stumpf vor sich hin brüten, sondern mit Fachwissen glänzen will, der besorge sich vorher dieses Buch und lese beispielsweise das Kapitel über den Schwertschlucker und Feuerspucker Joe Jagger, ein bayerisches Vollblutoriginal, das damit warb, die Schwerter "bis zum Zwölffingerdarm zu schlucken". Oder Norbert Stellners Kapitel über die Sportgeschichte des Volksfestes: Die große Attraktion 1913 war die "Marmorgruppe", weiß gekleidete Turner, die in stehenden Bildern Szenen aus den napoleonischen Kriegen nachstellten, was damals folgendermaßen annonciert wurde: "1. Bild: Das unterdrückte Deutschland vor dem Freiheitskrieg, die trauernde Germania und das deutsche Volk. 2. Bild: Turnvater Jahn fordert die Jugend auf, sich an Mut und Kraft zu stärken. 3. Bild: Germania fordert die deutsche Jugend zum Kampf auf gegen den Erbfeind."

Scheint so, als hätte sich viel geändert seither. Andererseits sei der ältere Herr zitiert, der bereits 1958 im Bierzelt die Worte sprach: "Früher war's eigentlich genau so wia heit, blos hat's da net so vui Geld und a net so vui Leit geb'n."

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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