Literatur:«Buh» - Leander Haußmann legt Memoiren vor

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Berlin (dpa) – Ohne Ironie wäre das Leben schwer erträglich, aber es gab eine Zeit, da war sie der einzige Strohhalm: In der DDR, als man Kritik am System allenfalls zwischen den Zeilen äußern konnte.

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Berlin (dpa) – Ohne Ironie wäre das Leben schwer erträglich, aber es gab eine Zeit, da war sie der einzige Strohhalm: In der DDR, als man Kritik am System allenfalls zwischen den Zeilen äußern konnte.

„Ironie ist ja so eine Art Buschfunk, der Nachrichten transportiert, die nur die Eingeweihten entschlüsseln können“, sagt Leander Haußmann, der in der DDR aufwuchs.

Der ostdeutsche Theaterregisseur und Filmemacher (Sonnenallee, „Herr Lehmann“) hat seine Memoiren geschrieben. In Ost-Spielstätten wie ins Berliner Ensemble oder Deutsche Theater geht man heute wie selbstverständlich. Doch wie es war, in der SED-Diktatur ein Kulturschaffender zu sein, haben viele vergessen. Haußmann erinnert daran und liefert spannende Anekdoten aus dem DDR-Kulturbetrieb, bald 25 Jahre nach dem Fall der Mauer.

„Buh. Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück“ heißt das Buch des 54-Jährigen, auch im Titel steckt Ironie. Haußmann brachte es allerdings wirklich weit. 1959 wird er in Quedlinburg als Sohn des Schauspielers Ezard Haußmann geboren, in Berlin-Friedrichshagen wächst er auf. Rasch wählt auch er die künstlerische Laufbahn.

Anfang der 1980er Jahre besucht Haußmann die Berliner Schauspielschule Ernst Busch und spielt danach an mehreren DDR-Theatern. Dann wird er Regisseur, zunächst am Deutschen Nationaltheater in Weimar. 1995 heuert Haußmann tief im Westen an, wird Intendant am Schauspielhaus Bochum. Seinen großen Durchbruch feiert er mit einem Film: „Sonnenallee“ thematisiert das Leben DDR-Jugendlicher an der Berliner Mauer und wird zu einem der großen Filme über die deutsch-deutsche Teilung.

Interessant sind die Geschichten aus dem Theaterbetrieb. Dort erhält man normalerweise selten tiefere Einblicke hinter die Kulissen. Frank Castorf, Claus Peymann, Carl Hegemann, Heiner Müller: Der Regisseur arbeitete mit vielen bedeutenden Figuren zusammen. „Müller und ich mochten uns auf Anhieb“, erinnert sich Haußmann. „Vielleicht mochte er mich deswegen so gerne, weil ich all die Dinge mochte, die er auch mochte: trinken, quatschen, rauchen.“

Andere Kollegen gingen ins Gefängnis, etwa der Schauspieler Norbert Stöß. Er hatte nachts in Gera die Theaterwände mit politischen Parolen beschriftet und wurde anschließend verhaftet. „Weil er nicht mit den Schriftexperten der Stasi gerechnet hatte, natürlich auch nicht mit der emsigen Kooperation von Intendant Schröder und anderen fleißigen Bienchen des Theaters“, schreibt Haußmann.

Für echte Memoiren ist er natürlich noch zu jung. Erst Sonntag feierte er wieder ein Debüt, als Krimi-Regisseur. Mit einem „Polizeiruf 110“ drehte Haußmann seinen ersten Kriminalfilm. „Kinderparadies“ war ein böser Blick auf überambitionierte Eltern, für deren Kinder das Beste gerade gut genug ist.

„Dieser Film ist keine Massenware“, erklärte Haußmann der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das klang nach Ambitionen, als wäre Leander Haußmann noch lange nicht fertig. „Ich glaube, dass bei vielen Menschen, auch bei mir, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Erreichten sehr groß ist.“ Darum gehe es in seinem Buch, sagte Haußmann. Ein „Buh“-Ruf, ganz unironisch.

- Leander Haußmann: Buh. Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2013, 16,99 Euro, ISBN: 978-3462306965

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