Lesung:Auf ins Unvertraute

Dass Frauen zu schwach seien für Forschungsexpeditionen glaubten im 19. Jahrhundert viele. Manche reisten trotz der Vorurteile: Eine Anthologie versammelt zehn Reiseberichte berühmter Frauen.

Von Jens Bisky

Unter dem Pseudonym "Gräfin Elpen" reiste die 37-jährige Therese Prinzessin von Bayern 1888 nach Brasilien; Gertrude Bell kam 1905 zum ersten Mal nach Syrien, später wird man sie den "weiblichen Lawrence von Arabien" nennen; Bertha Pappenheim, die "Anna O." Sigmund Freuds erkundete die Lage der jüdischen Bevölkerung in Galizien, Russland, dem nahen Osten; die Wienerin Ida Pfeiffer unternahm 1846 bis 1848 ihre erste Weltreise; Isabella Lucy Bird zog 1873 allein durch die Felsgebirge der Rocky Mountains; Mary French Cheldon begab sich 1891 auf Safari durch Ostafrika. Jede der Reisen war mutig und für die Frauen oft ein Verstoß gegen die Konventionen ihrer Herkunftswelt.

Von einem Leben auf vier Weltteilen berichten die Tagebücher der Diplomatengattin Elisabeth von Heyking; Johanna Schopenhauer schrieb über England und Schottland; die wunderbare Reporterin Annemarie Schwarzenbach über einen "Winter in Vorderasien". All diese Berichte und Erinnerungen versammelt nun eine sorgfältig produzierte Hörbuchanthologie ( Frauen bereisen die Welt. Gelesen von Ulrike Hübschmann, Vera Teltz, Martina Treeger, Doris Wolters. Audiobuch, Freiburg 2016. 6 CDs, 435 Minuten, 24,95 Euro). Diese Erzählungen von Expeditionen ins Unvertraute gewinnen ihre Kraft aus dem oft scharf empfundenen Unterschied der Kulturen, des Lebensniveaus. Es sind Forschungsberichte, die schließlich, ob die Autorinnen dies wollten oder nicht, auch viel über ihre eigene Kultur verraten. Den heutigen Hörer locken sie mit zweifacher Exotik: Zur räumlichen Entfernung tritt der zeitliche Abstand - eine vergnügliche Einladung zur Welterkundung.

(Foto: verlag)
© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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