Laibach-Konzert in Nordkorea:Dafür kommt man eigentlich ins Lager

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Laibach posieren in Pjöngjang (Foto: Jørund F. Pedersen)

Ein Auftritt in Nordkorea: Ist das nicht Anbiederung an ein mörderisches Regime? Oder das Subversivste, was dieses Land je gesehen hat?

Von Christoph Giesen, Pjöngjang

In Nordkorea kann ein unbedachter Satz, ein Witz im falschen Moment Jahre im Arbeitslager nach sich ziehen. Vor allem, wenn es um die drei Kims geht. Zeitungsseiten, auf den einer der Führer abgebildet sind, dürfen allenfalls akkurat gefaltet werden. Wer sich aus dem Papier eine Zigarette dreht oder einem der Kims einen Schnurrbart malt, ist in Lebensgefahr.

Für Scherze ist in Nordkorea alleine Kim Jong Un zuständig. Nur er darf den abgehalfterten Ex-Basketballer Dennis Rodman einladen und mit ihm Freundschaft feiern. Sein letzter Streich: Am 15. August, dem Tag der Befreiung, ließ er die Uhren um eine halbe Stunden zurückdrehen, damit sich Nordkorea nicht mehr eine Zeitzone mit Japan teilen muss. Als Mitte Juni sich im Internet die Ankündigung verbreitete, dass die slowenische Rockband Laibach im August in Nordkorea spielen werde, dachten viele, das sei ein PR-Gag. Unmöglich.

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Als im Juli tatsächlich die Bestätigung kam, bemühte sich die Süddeutsche Zeitung um ein Visum und Tickets für das Konzert. Es fand am vergangenen Mittwochabend vor 1500 handverlesenen Nordkoreanern und dem diplomatischen Corps im Theater der Staatssicherheit in Pjöngjang statt. Dutzende Zensoren hatten bis vor Beginn der Show noch etliche Änderungswünsche. Vier Stücke überlebten die Proben nicht. Unter anderem das Lied "We will go to Mount Paektu". Es ist derzeit das beliebteste Stück in Nordkorea. Gesungen wird es von der 18-köpfigen Frauenband Moranbong, eine Gruppe die Kim Jong Un persönlich gecastet haben soll. Ihren Smash-Hit brachten sie heraus, nachdem Kim vor Kurzem selbst den Paektusan, den höchsten und für die Propaganda heiligsten Berg Koreas erklommen hatte. Laibach veränderte den Rhythmus und ließ wie üblich Sänger Milan Fras ran, der klingt, als habe er zuvor Nägel gegurgelt.

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Ebenso aus dem Programm flog der Mädchenchor einer Musikschule. Der sollte die Band bei einem koreanischen Lied unterstützen. Auch das war der Zensur unheimlich. Jede andere Band hätte sich durch die Zensur der Nordkoreaner der Lächerlichkeit preisgegeben. Mick Jagger, der vor den Nordkoreanern nicht "Satisfaction" fordern darf? Ein Kastrat. Angus Young von AC/DC, dem die Schuluniform gegen ein Jungpionier-Hemdchen ausgetauscht und dem "Highway to Hell" aus dem Programm gestrichen wird? Undenkbar. Anbiederung an ein mörderisches Regime. Doch bei Laibach verfängt das nicht.

Seit der Gründung der Band vor 35 Jahren in Jugoslawien haben Laibach eine sehr spezielle Form der Ironie entwickelt, sie ahmen auf der Bühne totalitäre Regime nach. In ihrer Überidentifikation sind sie sehr anpassungsfähig: Früher trugen sie jugoslawische Uniformen, in Pjöngjang zogen sie sich nordkoreanische Sommeranzüge an wie Kim Jong Un sie auch ab und an trägt. In nahezu jedem Lied gelang es Laibach, trotz Zensur, Anspielungen und Andeutungen unterzubringen, so dass sie viele nach dem Konzert einig waren: Laibach in Pjöngjang, das war das Subversivste, was dieses Land seit langem erlebt hat.

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Dabei hätte es selbst ausgereicht, wenn die Band nur "Hänschen Klein" gespielt hätte, das alleine wäre Provokation genug. Denn der Auftritt in Pjöngjang war kein Konzert für die Nordkoreaner, sondern der Finale Akt, eines der irrwitzigsten Kunstprojekte überhaupt: Die wahrscheinlich immer noch provokativste Band der Welt an den ironiefreisten Ort der Erde zu bringen, und das ist gelungen.

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Für solche Gesten kommt man eigentlich ins Lager: Wie das Kunstkollektiv "Laibach" in Nordkorea gastierte, und dabei mal eben einen neuen Führer ins Spiel brachte.

Von Christoph Giesen
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