Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche:Einmal auf alles draufgeprügelt

Die Neonazi-Farce "Heil" witzelt wenig originell über Nazis und ihre Gegner. In "Tokyo Tribe" kämpfen rappende Gangs im Tokyo der Zukunft - ein aberwitzig skurriles Hip-Hop-Musical. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

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(Foto: dpa)

Am grünen Rand der Welt Bauer sucht Bäuerin, auf höchstem literarischen Niveau. Nach dem Roman von Thomas Hardy, angesiedelt in Wessex, seiner imaginären, liebevoll ausgemalten englischen Provinz. Carey Mulligan, einst protegiert vom "Driver" Ryan Gosling, ist nun die herrische Bathsheba Everdene, Matthias Schoenaerts der selbstbewusste Landmann Gabriel. Die Liebe operiert rustikal und sophisticated zugleich in diesem Film, und hübsch umständlich, zwischen Säbelrasseln und tödlichen Schafsblähungen. Thomas Vinterberg nimmt die Liebe ernst, bis es schmerzt, in einer Gesellschaft, die ausgerechnet vom Absurden und Perversen gekittet wird.

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(Foto: X-Verleih)

Heil Als schrille Farce zu Neonazi-Umtrieben und der Unfähigkeit, damit fertig zu werden, entwirft Dietrich Brüggemann sein heilloses Deutschlandbild. Alle knüpft er sich vor: tumbe Glatzen (Benno Fürmann, Jacob Matschenz), salbadernde Politiker, Journalisten, Antifa-Chaoten. Karikaturen, die durch die immer gleiche Mühle hysterischer Witzelsucht gedreht werden. Schlingensief für Anfänger. Fazit: Langeweile.

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(Foto: StudioCanal)

Desaster Beim Dreh in Saint Tropez hatte das Darsteller-Trio Justus von Dohnányi, Jan Josef Liefers und Stefan Kurt wahrscheinlich großen Spaß. Sollte doch in Dohnányis zweiter Regiearbeit nach "Bis zum Ellenbogen" die Comedy-Sau richtig rausgelassen werden. Auf der Leinwand bleibt der Spaßertrag arg begrenzt. Da prollt die Story der trotteligen Profikiller in trashverliebter Ballermannmanier so vor sich hin.

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(Foto: Prokino)

Amy Ein heftiger Dokumentarfilm über das Leben und Sterben der Amy Winehouse. Aus Bergen von Archivmaterial und über hundert Interviews hat Asif Kapadia die Biografie der Sängerin rekonstruiert. Obwohl ihre Geschichte und ihr Alkoholtod bekannt sind, entwickelt sich sein Film zu einem richtigen Musical-Thriller, in dem er ein finsteres Bild der Londoner Hipster-Szene und der Musikindustrie zeichnet.

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(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Señor Kaplan Don Quichotte in Montevideo: Jacob Kaplan ist ein jüdischer Rentner, der an seinem Lebesende noch die vom Rabbiner bei seiner Bar-Mizwa angekündigte bedeutende Tat nachholen will - und sich auf Nazi-Jagd begibt. An seiner Seite der dicklich-prollige Ex-Polizist Wilson, mit dem er ein skurril-melancholisches Tölpelpaar abgibt. Álvaro Brechner lässt sie im vermeintlich göttlichen Auftrag Detektiv spielen - und verteilt dabei diverse karikierende Spitzen, auf jüdische Eigenheiten oder uruguayischen Alltag.

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(Foto: Doug Aitken Workshop & Station to Station, LLC)

Station to Station Doug Atkin fährt mit einem Zug durch Amerika und filmt, an Bord und auf dem Weg, die (teils spannenden) Performances und Konzerte namhafter Künstler (u.a. Patti Smith, Ed Ruscha). Die Unterteilung in 62 Einminuten-Filme lässt leider jeden in seinem eigenen Saft schmoren, während die formale Ähnlichkeit der Clips die Vielfalt stark einschränkt. Von der vielversprechenden Aktion bleibt so nur ein gefälliges Promo-Video.

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(Foto: dpa)

Unkown User Für die Freunde der Kommunikationsmedien: Die Leinwand wird zur Computeroberfläche, auf der sechs Jugendliche miteinander skypen. Bald gesellt sich online ein Gespenst dazu, das den Hang der Sechs zum Cybermobbing kennt und ihnen noch ein paar Geheimnisse mehr entlockt. Regisseur Levan Gabriadze behält den Bildschirm-Look des Films konsequent bei, eine Realitätsferne, die durch ständig neue Teenager-Beichten kaum erträglicher wird.

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(Foto: Rapid Eye Movies)

Tokyo Tribe Genialische und aberwitzig komische Mischung aus Manga-Adaption und Hip-Hop-Musical von Sion Sono: Im Tokyo der nahen Zukunft müssen sich konkurrierende (singende, rappende) Gangs gegen einen diabolischen Wüstling verbünden. Sonos Kino ist eine bunte und eklektische Zentrifuge des Bizarren, umkreist von der Idee einer unmöglichen Unschuld, welche die ganze poetische Ressource seines Kinos bleibt.

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