Kurzkritik:Zum Weinen

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Die Akademie für Alte Musik Berlin im Prinzregententheater

Von Ekaterina Kel, München

Die Zerrissenheit des Künstlers zwischen dem, was ihm vorschwebt, und dem, was er meint, dem Publikum zuliebe machen zu müssen, ist keine neue Erscheinung. Schon Carl Philipp Emanuel Bach, ein Sohn von Johann Sebastian Bach und Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgreicher Komponist, kannte das Dilemma des kreativen Schaffensprozesses: Schreibt man für sich oder fürs Publikum und "für gewisse Personen", wie er es ausdrückte?

Spätestens aber, wenn man dem mit zärtlichsten Gefühlen geflochtenen zweiten Satz der Sinfonie in G-Dur (Wq 183/4) folgt, weiß man, dass C. P. E. Bach es vermochte, mit wenigen Griffen ein drängendes Weinen in seine Musik zu schreiben, das über die strengen Kompositionsregeln des Barock hinaus wies. Er läutete eine erstarkte Empfindsamkeit ein, ohne die Hörgewohnheiten des Adels zu stark zu strapazieren. Vielleicht war das also sein Weg, Zwänge und Wünsche beim Komponieren zu vereinbaren. Die Musiker der Akademie für Alte Musik Berlin betonen die Bedeutung des Bach-Sohns für Ludwig van Beethoven und damit nicht zuletzt für die Anfänge der Romantik. Am Sonntagabend spielten sie Sinfonien beider bei ihrem ersten Abend der Aboreihe im Prinzregententheater - besonders in Erinnerung bleibt, wie die Streicher dem Weinen im erwähnten zweiten Satz neues Leben einhauchen.

Hoch konzentriert und gleichzeitig kurz vor dem Auflösen im wehleidigen, mit der Trauer kokettierenden Schluchzen der Noten. Ansonsten zelebriert der Abend die fröhlichen Dur-Harmonien. Sie gehen den Musikern sowohl bei den Bach-Sinfonien, als auch bei der ersten und zweiten Sinfonie Beethovens leicht von der Hand. So leicht, dass sie aufpassen müssen, nicht zu routiniert zu wirken. Beethovens Werke - auf erhabenen Pathos ausgerichtet, eine Stimmung nach der nächsten aneinanderreihend - sind einerseits denen von Bach sehr unähnlich. Andererseits ist es gerade das spielerische Element des symphonischen Komponierens, das den beiden eigen ist. Genau darauf setzten die Akamus-Musiker unter der Anleitung von Bernhard Forck.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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