Kurzkritik:Tief und sinnlich

Moderne Streichquartett-Kunst im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht, München

Es war ein Abend von einer Vitalität, instrumentalen Klasse, Intonationsgenauigkeit und Phrasierungsintelligenz besonders bei Joseph Haydns Quartett op. 76, 4 und beim abschließenden Oktett von Felix Mendelssohn-Bartholdy, wie es ihn dann doch sehr selten gibt.

Die beiden Ensembles, das in allen Facetten moderner Streichquartett-Kunst strahlende Schumann-Quartett (Erik und Ken Schumann, Violine; Liisa Randalu, Viola; Mark Schumann, Violoncello) und das fein aufeinander abgestimmte Novus-String-Quartet (Jaeyoung Kim, Young-Uk Kim, Violine; Seungwon Lee, Viola; Woongwhee Moon, Violoncello) unterscheiden sich deutlich in Ansatz und Ausführung. Die Schumanns gehen voll ins Abenteuer des Hier und Jetzt und öffneten Haydns "Sonnenaufgangs"-Quartett mit solcher inneren Spannung, solcher entdeckenden Neugier, dass es jeden unmittelbar packte. Wie sie dann den Kopfsatz perspektivisch ausweiteten und Klangpracht und -variabilität entfalteten, wie sie das Adagio zum Zentrum so tiefsinniger wie sinnlicher Meditation machten, im Menuett den Kontrast zwischen Allegro-Teil und Trio scharf auskosteten und das Finale in einen Parforceritt kraftvoller Virtuosität verwandelten, war begeisternd. Zuvor hatten die Novus-Leute in Mozarts "Dissonanzenquartett" die beiden ersten Sätze überzeugend rein, intim im Klang und in beweglichem Parlando geboten. Leider entglitten Menuett und Finale in übereiltem und damit die Konturen einebnendem Tempo.

Bei Mendelssohn zeigte sich, was heutige Streicher vermögen, um das einmalige Werk in seinen tollkühnen Ansprüchen zu verwirklichen: bogentechnische Flexibilität, grifftechnische Präzision, klangliche Differenziertheit bis zum zartesten Pizzikato, blitzende Geistesgegenwart und Reaktionsschnelligkeit, all das und das stürmische Feuer junger Ausdrucksleidenschaft ließen das Oktett in hellstem Licht funkeln bis ins leiseste Pianissimo - eine Glanzleistung. Ovationen und das Scherzo noch mal als Zugabe.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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