Kurzkritik:Spitzbübischer Ernst

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Pianist Igor Levit spielt Beethovens Klaviersonaten

Von Ekaterina Kel, München

Igor Levit ist zum Scherzen aufgelegt. Der 31 Jahre alte Pianist kann spielen wie eine perfekt geölte Maschine und im nächsten Moment wie ein hoffnungsvoll verliebtes Mädchen. Den immer wieder abrupten Wechsel des Ausdrucks in Ludwig van Beethovens Klaviersonaten arbeitet er bei der fünften Matinee seines Beethoven-Zyklus meisterhaft heraus. Am rechten Rand der Bühne im Prinzregententheater stehen Blumensträuße, ein Altar mit Opfergaben - zu Ehren eines der bekanntesten Pianisten der Gegenwart.

Levit nimmt jeden Erzählstrang Beethovens ernst, hört ihnen aufmerksam zu. Doch kann man auch eine leise Ungeduld heraushören. Der erste Satz der Sonate Nr. 7 D-Dur op. 10/3 zeitigt beides: größten Respekt, mit dem er bei dem ekstatisch-schnellen Fingerspiel verweilt und es mit Samurai-ähnlicher Konzentration reproduziert. Und große Freude an seinem Auftritt selbst, an der Tatsache, dass die Töne dank seiner Hände erklingen. Das ist Verweilen und Zukunftsstreben zugleich.

Perfekt, denn in dieser Sonate wohnen zwei Seelen. Eine frühromantische Zartheit, ein dunkler ausdrucksstarker Pathos, die Beethoven vor allem in Satz zwei und drei verankert hat. Und gleichzeitig eine nerdige Verliebtheit in technische Vollkommenheit, geboren aus dem unbedingten Drang, alle Möglichkeiten auszuprobieren. Bei Beethovens Klaviersonaten kann der russische Pianist seine spitzbübische Art ausleben. Besonders stark: das Wechselspiel zwischen weich und angriffslustig, bedächtig und leichtsinnig.

Zum Schluss widmet er sich der Sonate Nr. 18 Es-Dur op.31/3 und somit auch noch mal verstärkt der humoristischen Eigenart ernsthafter Komposition. Das Schwere trägt er dick auf, mit einem Augenzwinkern. In der Zugabe dann schiebt er eine perfekte Brechung nach - paradoxerweise ist sie auch eine passende Verlängerung seiner Lesart. Ein großer Scherz, mit einer großen Ernsthaftigkeit vorgetragen: Rodion Schtschedrins "Humoresque". Dazu ein schelmisches Lächeln.

© SZ vom 27.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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