Kurzkritik:Schöner sinken

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Die Passagierin (Nicola Trub) weiß noch nicht so recht, ob sie wirklich untergehen möchte. (Foto: Volker Derlath)

"Der Untergang der Titanic" im Theater Blaue Maus

Von Christiane Lutz, München

Zunächst kann man sich einen Moment diese rührende Gegensätzlichkeit bewusst machen: "Der Untergang der Titanic", aufgeführt im "Theater Blaue Maus". Das amüsiert im Voraus, obwohl der Abend dann eher ein Requiem denn eine Komödie wird. Der Regisseur Jochen Strodthoff hat mal wieder was inszeniert, diesmal mit dem Theater Werkmünchen. Um seine Theatergruppe "Hunger & Seide" ist es nämlich ruhig geworden in den vergangenen Jahren.

"Der Untergang der Titanic" ist eine Sammlung lyrischer Texte von Hans Magnus Enzensberger zum Mythos Titanic. Aber auch zu Weltuntergangsszenarien und revolutionären Hoffnungen, die Regisseur Strodthoff aber großzügig umgeht. Erstaunlicherweise gibt es Orte, die weniger an den Bauch eines Luxusdampfers erinnern, als der weiß gestrichene, winzige Kellerraum der Blauen Maus. Zwischen großen Wasserkanistern brummt und tönt es, wie es vielleicht auf einem Schiff brummt und tönt, das gerade einen Eisberg gerammt hat. Die sieben namenlosen Figuren sind offensichtlich Passagiere der ersten Klasse, tragen Abendgarderobe und Hochsteckfrisuren. Mit genauen Zeitangaben berichten sie vom Schiffsunglück in der Nacht vom 15. April 1912. Sie erzählen aber, stets zum Publikum sprechend, vor allem von dem Sog, den eine nahende Katastrophe auf Menschen ausübt. Wie ein Unfall, bei dem keiner wegsehen mag. Sie rappen "Näher mein Gott zu dir" - das letzte Lied der Schiffskapelle - und verlieren sich in Ausführungen der edlen Speisekarte, als könne Kaviar Leben retten.

Bei diesem Gruppenspiel entstehen ein paar schauderhafte und eindringliche Momente. Wenn die Spieler synchron hin und her schwingen wie das Meer am Tag nach dem Unglück, wenn sie zu einem Gemälde mit dem möglichen Titel "Menschen in Seenot" erstarren. Strodthoff schafft einen bemerkenswert dichten Abend, der zwischen Performance und Hörspiel changiert, spannender als so mancher Tatort. Ein Abend, der vom Nicht-wahrhaben-wollen des Unausweichlichen erzählt, von menschlichem Größenwahn und dem Grauen, das sich einstellt, wenn Menschen in halb leeren Rettungsbooten dabei zuschauen, wie andere ersaufen.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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