Kurzkritik:Risikofreudig

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ARD-Wettbewerb: Semifinale Klaviertrio

Von Harald Eggebrecht, München

Die zweite Runde beim ARD-Wettbewerb ist gewiss programmatisch am abwechslungsreichsten, so auch beim Klaviertrio: große Romantik etwa von Mendelssohn, Brahms oder Dvořák, dazu erfrischende Moderne zum Beispiel von Wolfgang Rihm, Pēteris Vasks oder Toshio Hosokawa. Doch zuerst das Heikelste: Mozart. Hier nicht zipfelig oder nur brav zu agieren, ist daher schwierig, weil jede Forcierung, jedes Zuviel an Volumen sofort schwerfüßig wirken kann.

Von den sechs Ensembles, die dann das Semifinale erreichten, kam vielleicht das japanische Aoi-Trio einem plausiblen Mozart-Ton nahe, ohne ganz zu überzeugen. Das gelang den dreien aber besonders gut bei der Auftragskomposition: Miroslav Srnkas "Emojis, Likes and Ringtones", ein furios witziges Kaleidoskop von Spieltechniken, in acht Minuten so etwas wie eine kleine Geschichte elektronischer Tonsignale. Bei den "Aois" meinte man, Klingeltöne verschiedener Telefonfabrikate zu hören - höchst amüsant. Das deutsche Trio Adorno landete im Semifinale durch Klarheit und gute Balance. Doch Beethovens "Geistertrio" op. 70, 1 geriet dann allzu geradeaus und akademisch, Srnka erst recht. Die Formationen "Sōra" und "Cascara", bis zum Semifinale überraschend und eigentümlich, fanden zu Beethovens intellektuell herausfordernden Trios nur verhaltenen Zugang, als hätten sie ihr Pulver in den ersten Runden schon verschossen. Also setzten sich in Richtung Finale die risiko- und spielfreudigsten Trios durch, das koreanische Lux-Trio und das Trio Marvin, ein Mix aus Kasachstan, Russland und Deutschland. Beide zeichnen sich durch lebendige Kommunikation untereinander aus, sind wach und reaktionsschnell, was bei Beethoven Voraussetzung ist, um dessen Plötzlichkeitsschocks und Kontrastheftigkeiten überhaupt realisieren zu können. Im Finale aber warten Schuberts weit ausschwingende Trio-Landschaften auf Aoi, Marvin und Lux, da wächst die Spannung.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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