Kurzkritik:Jugendfeuer

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Der Cellist Edgar Moreau brilliert im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht, München

Man möchte sich schämen, wenn ein Musiker höchster Qualität in den sowieso nicht heimeligen Herkulessaal kommt und ihn die leeren Reihen angähnen. Nur ein Häuflein Unverzagter verteilte sich im Raum. Sie wurden nicht enttäuscht, sondern hellauf entzückt: Der französische Cellojungstar, Edgar Moreau, 23 Jahre alt, zeigte eine solche Klasse in Spiel und musikalischem Geist, dass man sich um Karten reißen müsste, ihn zu hören. Hoffentlich ist beim nächsten Auftritt in der angeblichen Musikstadt München der Ansturm gewaltig, um diese Abwesenheitsscharte auszuwetzen.

Moreau kam mit dem glänzenden, sechsköpfigen Barockensemble Il pomo d'oro (zwei Violinen, Viola, Violoncello, Bass, Cembalo) unter der höchst engagierten und flexiblen Leitung Maxim Emelyanychevs vom Cembalo aus. Es wurde eine Reise durch die mehr oder weniger italienische Barockmusik. Zwei in den raschen Sätzen rhythmisch funkelnde, sprühende Konzerte der Venezianer Antonio Vivaldi und Giovanni Benedetto Platti zauberte Moreau elektrisierend und bis in kleinste Notenwerte präzise hin. In den langsamen Sätzen spannte er die Kantilenen weit aus, völlig frei von Sentimentalität. Auch Johann Adolph Hasse erhielt seine zentrale Ausbildung in Italien, in Neapel bei Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti. Adagio und Fuge boten die "Goldäpfel" als reiche Musik von einigem Pathos. Georg Philipp Telemanns Divertimento wirkte in diesem italienischen Reigen höfisch formbewusst.

Erinnerungswürdig bleibt besonders das Concerto a quattro des Neapolitaners Francesco Durante durch seinen ausdruckssüchtigen Tonsatz voll chromatisch dichter Harmonien. Zum Schluss Luigi Boccherini. Es war der Eintritt in eine neue Klangwelt, denn bei Boccherini steigt der Cellist endlich in die hohen Lagen und erobert damit ein für allemal auch das Reich der hohen Streicher. Moreau, dessen Ton bestechend klar und griffig ist, fügte sich trotz modernen Bogens und Stachels bestens in die barocke Spielkultur des "Goldapfels". Dass er ein fulminanter Virtuoso im wahren Sinne des Wortes ist, machte dieser anregende Abend unmissverständlich klar.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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