Kurzkritik:Einfach phänomenal

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Der britische Pianist Benjamin Grosvenor begeistert im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht, München

Mit einem furios hingelegten argentinischen Tanz von Alberto Ginastera fegte Benjamin Grosvenor zuletzt das hell begeisterte Publikum aus dem Herkulessaal. Auch vor dieser Zugabe hatte der junge Pianist gezeigt, weshalb er längst als einer der absolut Weltbesten seines Fachs gefeiert wird: Seine staunenswerten technischen Fähigkeiten, die Frische seiner Vorstellungskraft, seine Konzentrationsstärke, das Unterlassen jeder Art von Show und der untrügliche Sinn für poetische Versenkung sind allein auf die Realisierung von Musik gerichtet. Das begann mit den ersten Tönen von Robert Schumanns Blumenstück op. 19, mit denen Grosvenor unwiderstehlich in das immer anders beleuchtete motivische Kommen, Sichentfernen und Kreisen dieses Stückes führte. Die Verzauberung gelang so zwingend, dass danach eine Pause unbedingter Stille eintrat vor Schumanns Kreisleriana op.16, diesem einzigartigen Kosmos aus aufscheinenden Masken, Charakteren und Gestalten. Grosvenor spitzte das Aufbrausende, rhythmisch Gespannte ebenso unmissverständlich zu wie er in den versonnen Teilen verweilte, ohne je sentimental zu werden. Er artikulierte Schumanns Bach-Leidenschaft und verlor in dieser vielfältigen Traumwelt nie die Übersicht. Eine grandiose Darstellung des unauslotbaren Werkes.

Nach der Pause tauchte er Leoš Janáčeks Sonate von 1905 anschlagsfarbenreich in eine intensive Schwermut, die nie dick oder klebrig wurde. Mit Sergei Prokofjews "Visions fugitives" ließ er gleichsam wieder fantastische Puppen und Figuren tanzen, mal wie vorbeigeweht, dann wieder scharf konturiert. Am Ende zog Grosvenor mitreißend den Vorhang zur großen Oper auf, als er Franz Liszts "Réminiscences de Norma" nach Bellini als großartiges Klavierschauspiel darbot. Feurige Virtuosität, Glanz der Kantilene und rückhaltloses Vorwärtsstürmen rissen alle von den Stühlen. Doch auch hier, in allem Donnern oder filigranem Schwelgen imponierte Grosvenor durch Maß, Geschmack und federnde Grandezza, die Liszts Musik so unzweifelhaft prägt. Höchste Zeit, dass alle Intendanten Münchens diesen phänomenalen jungen Musikkünstler zu ihren Orchestern holen!

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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