Kurzkritik:Blitze aus Zauberhand

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Der große Marc-André Hamelin im Herkulessaal

Von Harald Eggebrecht, München

- Der Gegensatz könnte kaum größer sein zwischen dem ganz auf die Musik konzentrierten, jedem Mätzchen oder Effekt für die Galerie abholden Spiel des großen Marc-André Hamelin und der staunenden und bewundernden Begeisterung, die dieses Spiel auslösen kann. Allerdings bleibt es weiterhin rätselhaft, warum die Klavier-Aficionados Münchens nicht den Herkulessaal stürmen und bis unters Dach füllen, denn dergleichen pianistische Kunst wird ihnen äußerst selten und von niemand anderem sonst geboten. Um es noch einmal zu betonen: Marc-André Hamelin ist einer der bedeutendsten Pianisten unserer Zeit.

Er beginnt mit einem zarten frühromantischen Nocturne von Maria Szymanowska, der Goethe einst ein Gedicht widmete. Es folgen zwei Paraphrasen nach Walzern von Franz Schubert, zuerst die verhangene Soirée de Vienne Nr. 9 von Franz Liszt, ein Stück, aus dessen rhythmischer Lässigkeit manchmal etwas aufblitzt, blinkt, sofort wieder erlischt. Die zweite hat sich Sergei Prokofjew als Walzer-Suite für seine Klavierabende in die Finger geschrieben. Hamelin spielte das ohne jeden Drücker oder Schleifer mit meisterhafter Distinktion. Die Sonaten 5 und 6, die Samuil Feinberg 1921 und 1923 komponierte, werden zu Fanalen einer hysterisch erregten, fiebrigen, von Alexander Skrjabin inspirierten Klavierkunst. Besonders die sechste Sonate erwächst unter Hamelins Zauberhänden zu einem Turm aus schwarzer Energie, der am Ende erschöpft zusammensinkt.

Nach der Pause Robert Schumanns C-Dur-Fantasie als Fest der Mittelstimmenvernetzung, des poetischen Sinnierens, umgeben von virtuos-ritterlichem Glanz. Wieder besticht Hamelin durch seine Versenkung in die Musik, die immense Konzentration, die sich auf alle überträgt. Sinnreich wählt er zwei Zugaben: Erst ein Stück des jungen Liszt, gewebt aus lauter Girlandenschleiern, dann die Rückkehr zum Walzer. Hamelin bietet dieses Mosz-kowski-Stück so nobel und delikat, wie nur er es kann.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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