Kurzkritik:Beschwingt

Nézet-Séguin dirigiert Zimmermann

Von Harald Eggebrecht, München

- Manchmal hatte man an diesem inspirierten, daher animierenden Abend im Herkulessaal den Eindruck, dass sich der Dirigent Yannick Nézet-Séguin gleichsam dem jeweiligen "Swing" von Ludwig van Beethovens 2. Symphonie und Felix Mendelssohn-Bartholdys Vierter, der "Italienischen", überließ. Nézet-Séguin, ein kompaktes Energiebündel, hält sich nicht mit Posen und Mätzchen auf, sondern agiert dirigentisch ungemein verständlich und kontaktfreudig. Also legte sich das BR-Symphonieorchester reaktionsschnell, vital und sichtlich vergnügt ins Zeug.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Dieser vor kraftvoller Elastizität bebende Musiker bleibt immer den Stücken zugewandt, um sie detailfreudig und schwungvoll zu realisieren. Er ist dabei aber kein Mann, dem es genügen würde, dass alle nur hübsch zusammen alle Noten spielen. Nézet-Séguin vermag Gegensätze auszukosten und Kontraste hart gegeneinander zu setzen. Aber er möchte auch, etwa in Beethovens Larghetto oder in Mendelssohns Menuetto, einen so feinen wie ununterbrochenen Legatoklang von seinen Musikern wie nur möglich - und bekommt ihn. So nahmen die beiden Symphonien ausgesprochen jugendliche, rhythmisch elektrisierende Gestalt an.

Dazwischen spielte Frank Peter Zimmermann Béla Bartóks erstes Violinkonzert, das erst 1958 uraufgeführt wurde. Der erste Satz huldigt in weiten Geigenkantilenen der Geigerin Stefi Geyer, die von Bartók angehimmelt wurde. Wer könnte das schöner, empfindungsreicher bieten als Zimmermann, dessen Fähigkeit, einen Satz als Ganzes entstehen zu lassen, bewunderungswürdig ist. Das folgende Allegro giocoso verlangt blitzende Virtuosität, Sinn für musikalischen Witz und das "Gespräch" zwischen Orchester, Dirigent und Solist. Tosender Beifall, und als Zugabe dann Sergei Rachmaninows g-Moll-Prelude auf der Geige, statt mit zehn, nur mit vier Fingern und Bogen - wow!

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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