Kurzkritik:Belebt und anregend

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Sol Gabetta und das Orchestre Philharmonique de Radio France

Von Harald Eggebrecht, München

- Wie erfreulich, wenn einmal nicht der übliche Klassiker oder Romantiker routinemäßig auf dem Programm steht, sondern - wie beim Orchestre Philharmonique de Radio France unter Mikko Franck im Gasteig - das Werk eines Komponisten, der mehr oder weniger erst in den vergangenen gut 20 Jahren über Kennerkreise hinaus bekannt geworden ist: Mieczyslaw Weinberg. Er musste sofort nach dem deutschen Überfall auf Polen über Minsk in die Sowjetunion fliehen, wo ihn Dmitri Schostakowitsch vor stalinistischer Verfolgung rettete. Weinberg lebte und arbeitete bis zum Tod 1996 in Moskau.

Anfangs eher als eine Art Epigone Schostakowitschs eingestuft, werden inzwischen die Eigenständigkeit Weinbergs, seine melodiöse Einfallskraft, die Fähigkeit, jüdische Musiktraditionen aufzunehmen ohne sie zu imitieren, und sein Vermögen, große symphonische Zusammenhänge zwingend zu konzipieren, voll anerkannt und sein facettenreiches Werk erschlossen. Das viersätzige Cellokonzert c-Moll op. 43 beginnt mit einem wunderbar sich ausdehnenden schwermütigen Solo, das am Ende als Erinnerung noch einmal aufglüht. Sol Gabetta zog die Anfangskantilene, sofort packend, aus mit ruhiger Vibratoschwingung und untrüglichem Gespür für den weiteren Prozess der Musik. Die Mittelsätze brauchen Charakterisierungs- und Farbsinn, dazu gehörige Virtuosität, die Gabetta mit Verve und rhythmischer Intensität darbot. Trotz Riesenbeifalls für ihre eindrucksvolle Leistung gab es keine Zugabe.

Dass die Aufführung so eindringlich gelang, lag auch an der feingliedrigen, dabei nie geduckten, sondern mitgehenden Begleitung des insgesamt hell timbrierten Orchesters unter der leichten Hand des wachsamen Mikko Franck. Der finnische Dirigent präsentierte mit seinen französischen Musikern gleich drei Reißer: Paul Dukas' "Zauberlehrling", "Tod und Verklärung" von Richard Strauss und Maurice Ravels "La Valse". Franck beschwört keine orchestralen Orgien und Ekstasen und holt nicht zu vernichtenden Orchesterschlägen aus. Bei ihm klingt alles belebt und anregend, nie schleppend oder schwerfüßig. So wurde es eine Feier französischer Orchesterkultiviertheit und finnischen Charmes. Als Zugabe für herzlichen Jubel das warm ausgesungene Prelude des Finnen Heino Kaski.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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