Kurzkritik:Barabababam!

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Die Wiener Pop-Hedonisten "Bilderbuch" im Zenith

Von Martin Pfnür, München

Kurz vor dem ersten Höhepunkt dieses grandiosen Konzerts steht Maurice Ernst inmitten der Bühne ganz oben auf einer Gangway und fragt, ob man ihn denn auch sehen könne. Das ist vor allem rhetorisch gefragt, erzählt in seiner ironischen Überspitzung allerdings nicht wenig vom Arbeitsprinzip der Band aus Wien. Denn klar, Bilderbuch denken groß, da darf es schon auch mal etwas zu viel sein. Zwei Alben innerhalb von drei Monaten? Warum nicht? Minutenlanger Konfettiregen als Illustration eines brechenden Herzens? Aber gern. Und wenn man, wie im Opener "Mr. Supercool", schon mal dabei ist, der Angebeteten im Prince-Falsett ein aufgesextes "Du hast es/Ich will es/Ich brauch es" entgegenzusäuseln, warum dann nicht auch gleich "die Sonne, den Mond und die Sterne" vom Himmel herunterholen, oder in "Taxi Taxi" das berühmte "Pa rum pum pum pum" aus dem zu Tode interpretierten "Little Drummer Boy" in ein lautmalerisches "Barabababam rabababam rabababambam" umformulieren? Eben.

Große Aneignungskunst ist das, was Bilderbuch zelebrieren. Die Konsumsegnungen des digitalisierten Spätkapitalismus, die "Freiheit, nicht zu denken", wie Ernst im kosmisch ausklingenden "Europa 22" singt, bilden bei ihnen den Hintergrund eines ebenso lustvoll hedonistischen wie eskapistischen Pop-Ansatzes, in dem Sprache, ganz in der anglophilen Falco-Tradition, immer auch Sound ist. Elektrifizierter, autotuneverleierter Pop, scharfkantige Funk-Rhythmen, riffgewaltiger Heavy- und melodischer Glam-Rock samt edel angebluester, aber nie zu langer Gitarrensoli - all das geht im Zenith mit irrer Leichtigkeit zusammen.

Und dann steigt Ernst also von seiner Gangway herunter, während die Band den Hit "Bungalow" anspielt, und treibt das inbrünstig mitschmetternde Publikum mit der reggae-infiziert dahinpatschenden Einladung in sein Bungalow "by the rivers of cashflow" in einen Zustand, der mit dem Wort "Ekstase" nur unzureichend beschrieben ist. "Ich brauch mehr Strom!", ruft er, als der Song noch einmal gewaltig Anlauf nimmt. Das trifft das Bilderbuch-Lebensgefühl tatsächlich ganz gut.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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