Kunstprojekt:Die Traumschachtel

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Lebensziele und große Wünsche: Vor der LMU kann man mit dem Team um Juliane Stiegele darüber reden. (Foto: Juliane Stiegele)

In der "Utopia Toolbox" fragen die Künstlerin Juliane Stiegele und Vertreter der Kirchen: Was willst du wirklich?

Von Constanze Radnoti

Der Mensch muss sich jeden Tag mit allerlei Fragen auseinandersetzen: Was gibt es heute Abend zu essen? Wann putze ich endlich die Wohnung? Wo habe ich schon wieder meine Schlüssel hingelegt? Die Künstlerin Juliane Stiegele hat eine weitere hinzugefügt: Was willst du wirklich? Damit konfrontiert sie seit einer Woche Passanten vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU). Die Frage ist gleichzeitig Motto des Projekts "Utopia Toolbox", das Stiegele 2010 initiiert hat und das nun für zwei Wochen in München Stopp macht.

Angefangen hat alles mit dem Buch "Utopia Toolbox". Darin ist die Künstlerin der Frage nachgegangen, wie man den Herausforderungen der modernen Zeit begegnen kann. Stiegele nennt das Buch eine "tragbare Uni". Diese hat inzwischen die Form eines Containers angenommen, den sie zuerst in Augsburg, dann in Kirchberg in Schwäbisch Hall und nun in München aufgestellt hat. Dort fragen Stiegele und ihr Team Passanten nach deren Träumen und Zielen - eben: Was willst du wirklich? Tatsächlich lassen sich viele Menschen auf die Frage ein, wenn sie vor dem Container angesprochen werden. Am ersten Wochenende hätten nach Stiegeles Einschätzung 50 bis 60 Menschen versucht, die Frage zu beantworten, obwohl die meisten sich noch nie wirklich damit befasst hätten.

Für Stiegele seien dabei weniger globale Ziele wie Weltfrieden interessant, sondern die ganz persönlichen Träume von Menschen. Eine Passantin hätte etwa den Wunsch, eine Blues-Kneipe zu eröffnen. In der "Utopia Toolbox" gehe es dann darum herauszufinden, wie die Frau diesem Ziel noch am selben Tag näher kommen könne. In diesem Fall sei das gar nicht so schwierig gewesen, denn die Mutter der Frau sei Buchhalterin. "Die beiden wollten sich noch am Abend zusammensetzen, um einen Businessplan zu erstellen", sagt Stiegele. Andere Träume seien weniger konkret: Viele Menschen klagten über Zeitmangel und wünschten sich schlicht mehr Zeit. Ihnen könne man immerhin raten, sich jeden Tag fünf Minuten für eine Tasse Tee zu genehmigen.

In München kooperiert "Utopia Toolbox" mit der katholischen und evangelischen Kirche, die sich im Lutherjahr mit derselben Frage beschäftigen wie Stiegele. "Aber wir sind religiös unabhängig", sagt die Künstlerin. Entsprechend habe sie erst einmal überlegen müssen, ob sie mit den Kirchen kooperieren wolle. Nun laufe es gut, sagt Stiegele, ohne dabei allzu begeistert zu klingen. Ganz anders ist das bei Olaf Stegmann vom Pfarramt Sankt Markus und Ulrich Schäfert vom Erzbischöflichen Ordinariat. Sie haben Stiegele nach München geholt, um die Fragen zu stellen, die schon Luther beschäftigt haben. "In der Seelsorge höre ich oft von Menschen, die sich von der ständigen Selbstoptimierung überfordert fühlen", sagt Schäfert. "Deshalb fragen wir nach dem Wesentlichen." Die Kirchen sähen sich jedoch nicht als Antwort. "Wir stellen uns ja selbst noch diese Frage." Vielmehr gehe es darum zu hören, was die Leute beschäftige. Deshalb halten sich die Kirchenvertreter bei der "Utopia Toolbox" im Hintergrund. "Schließlich ist das vor allem ein Kunstprojekt."

Das heißt jedoch nicht, dass die Kirchen nur Geldgeber sind; auch sie beteiligen sich aktiv am Projekt. Am Sonntag etwa gibt es einen "Gottesdienst zur Tatortzeit". Der steht unter dem Motto "Der falsche Pfarrer", denn der evangelische Pfarrer Stegmann predigt dann in der katholischen Pfarrkirche Sankt Paul. Überhaupt haben die Kirchen ein buntes Programm um das Kunstprojekt herum gestaltet. Am kommenden Montag zum Beispiel hält der Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch einen Vortrag über Martin Luther und am darauffolgenden Freitag wird der dänische Dokumentarfilm "The Human Scale" gezeigt. An diesem Freitag steht jedoch erst einmal ein großer Umzug an: Um 12 Uhr zieht der Utopia-Toolbox-Container von der Uni zur Markuskirche, wo er bis Sonntag, 23. Juli, stehen soll.

Utopia Toolbox , bis Sonntag, 23. Juli, Sankt Markus, Gabelsbergerstraße 6, www.utopiatoolbox-muenchen.de

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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