Kunstmarkt:Wer ist Gatsby?

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Trendberuf Kunsthandel: Evan Solomon, einer der prominentesten Journalisten Kanadas, hat seinen Job verloren. Er nützte die Kontakte durch seine Fernsehsendung aus, um ihnen Kunstwerke zu verkaufen.

Von Peter Richter

Immer wieder hört man von Galeristen, die ihre Galerien dicht machen, um sich dank ihrer angesammelten Kontakte ganz den lukrativeren Hinterzimmer-Deals widmen zu können. Auch Journalisten leben von Kontakten, auch Journalisten können also in den Handel einsteigen. Sie müssen dann nur unter Umständen ebenfalls ihren alten Beruf aufgeben. So ist das jetzt einem der prominentesten Journalisten Kanadas geschehen.

Evan Solomon war der Gastgeber der renommierten Fernsehsendung "Power & Politics" auf CBC, der kanadischen Variante der BBC. In dieser Funktion hatte er, der Name sagt es, beruflich viel mit den Mächtigen zu tun, die oft auch zu den Wohlhabenden gehören. Mit Jim Ballsillie zum Beispiel, Gründer von BlackBerry, oder Mark Carney, ehemals Chef der Bank of Canada, inzwischen Chef der Bank of England. Gleichzeitig war Solomon aber offensichtlich auch mit den Schillernden seines Landes ganz gut vertraut. Zu denen gehört zu allererst ein Mann namens Bruce Bailey, den sie allgemein den "kanadischen Gatsby" nennen, was nicht heißen soll, dass Bailey nicht auch zwischen den unzähligen großen und kleinen Gatsbys der deutlich exaltierteren USA herausstechen würde.

Bei der Weihnachtsparty eines New Yorker Galeristen konnte man ihn in einem Seiden-Pyjama durch die Menge schlendern sehen, und wer je mit ihm ein paar Worte gewechselt hat, kann im Prinzip gar nicht anders, als ihn anrührend zu finden; Bailey ist tatsächlich sehr unterhaltsam. Über die Herkunft seines märchenhaften Reichtums ist, genauso wie über sein exaktes Alter, wenig bekannt. Selbst Leute, die von ihm unterstützt wurden, können einem da nicht viel sagen. Zu diesen Leuten wiederum gehören in erster Linie kanadische Künstler. Bailey wird in Kanada als entschlossener Förderer junger heimischer Künstler geschätzt. Er war einer der ersten Sammler von Peter Doig, bevor der zu einem der teuersten Maler seiner Generation wurde. Er ist jetzt einer der treuen Sammler von Kim Dorland, einem jungen, interessanten Maler aus Toronto, der, wer weiß, eines Tages der nächste Peter Doig sein könnte. Wie viele Sammler verkauft Bailey gelegentlich seine Kunst weiter.

Der Fernsehmann nutzte seine Interviews mit Millionären, um ihnen Kunstwerke zu verkaufen

Hier kommt jetzt der Fernsehmann Salomon ins Spiel: Der vermittelte die Deals. Ein Gemälde von Peter Doig an Jim Ballsillie, eines von Kim Dorland an Mark Carney, jeweils mit einem gewissen Anteil für Salomon. E-Mails über diese Geschäfte fielen seinen Chefs beim kanadischen Fernsehen in die Hände, die über diese Art des Nebenerwerbs nicht erbaut waren. Solomon verlor seinen Job. Dass dieser Fall in den kanadischen Medien wie ein mittelschwerer Skandal gehandhabt wird - die CBC hat etwas Staatstragendes dort - ist vor allem unglücklich für alle anderen Beteiligten. Zeitungsreporter versuchen nun abermals hinter das Mysterium des Bruce Bailey zu kommen. Der Chef der Bank of England steht da, als wäre er in unseriöse Gesellschaft geraten. Und Kim Dorland, der Maler, sagt, es sei eine unglückliche Situation, in die er da geraten sei, obwohl er damit eigentlich gar nichts zu tun hat. Er könne nur hoffen, dass Carey sein Bild trotzdem noch mag.

© SZ vom 16.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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