Kunstmarkt:"Tigerbird" legt zu

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Die Lust ist immer noch groß, in Kunst zu investieren. Leider fehlen aber die ganz großen Anreize und Angebote. Die moderne Kunst gab wieder das Zugpferd ab bei den Auktionen im Herbst. Es gab hübsche Überraschungen, zum Beispiel Feiningers "Gelbe Gasse".

Von Dorothea Baumer

Dieser Auktions-Herbst zeigte sich launisch und war für Ausschläge in jeder Richtung gut. Zweifellos ist die Lust, in Kunst zu investieren, nach wie vor groß, nicht zuletzt mangels lukrativer Anlagealternativen. Allerdings braucht es dazu Anreize. Geld war in Fülle unterwegs. Gesucht war der sichere Hafen, also Kunst, die Wertbeständigkeit verspricht, und da gelten in deutschen Häusern die Premiumsignaturen der Expressionisten allemal als erste Wahl. Wenn sich das Geschehen dennoch nicht ganz so stark entwickelte, wie das Frühjahr versprach, dann lag das allein am Mangel an wirklichen Spitzenstücken. Da, wo sie geboten wurden, war das Engagement beachtlich. Die moderne und zeitgenössische Kunst gab, wie nicht anders zu erwarten, das Zugpferd. Die Alte Kunst war für einige Entdeckungen gut. Mit Musealem trumpfte das 19. Jahrhundert auf.

Mehr als jedes andere Moderne-Angebot erfüllte die hochwertige Jubiläumsofferte der Villa Grisebach in Berlin gediegen-konservative Sammlerwünsche. Sie versammelte so viele gesuchte Werke des deutschen Expressionismus wie schon länger nicht mehr, darunter Millionen-Lose von Emil Nolde und Lyonel Feininger. Entsprechend erfolgreich kamen sie unter den Hammer. Grisebach verbuchte 21,6 Millionen Euro für die Abendauktion ausgewählter Werke und den Rekordumsatz von 34 Millionen Euro für die gesamte viertägige Auktionsserie. Während die Taxen für Nolde vielfach ausgereizt scheinen, erfuhren Feiningers prismatische "Gelbe Gasse" von 1932 und Max Beckmanns "Stillleben mit brennender Kerze" bester Provenienz enorme Steigerungen auf brutto 3,5 und knapp drei Millionen Euro. Auch ein frühes, Jawlensky-nahes Stillleben von Gabriele Münter überraschte mit erstaunlichen 745 000 Euro und eine der seltenen neusachlichen Szenen Anton Räderscheidts aus den Zwanzigern brachte starke 865 000 Euro.

Feiningers "Gelbe Gasse". Abbildung: Grisebach, VG Bild-Kunst, Bonn 2016 (Foto: xx)

Die Konkurrenz hatte dem nicht allzu viel entgegenzusetzen. Lempertz in Köln reichte zwar für 1,6 Millionen Ernst Ludwig Kirchners "Mädchen in Südwester" von 1912 weiter, und auch George Grosz' beißendes Spottblatt "Soirée" ließ sich ein Bieter hier, weit über Taxe, 446 000 Euro kosten. Doch gab es empfindliche Rückgänge, darunter Noldes spröder "Jäger" (500 000), die auch ein Rekordzuschlag von brutto 676 000 für Josef Albers' grüne "Homage to the Square" bei den Zeitgenossen nicht wettmachen konnte. Insgesamt blieben Moderne und Zeitgenossen mit 12,2 Millionen Euro deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auch im zweiten Kölner Haus, Van Ham, gab es wenig Anlass zum Jubel. Die Zeitgenossen, darunter wieder mannigfach Zero-Kunst, erzielten allerdings solide Ergebnisse mit einem kräftig angesteigerten Cobra-Werk aus den Fünfzigern, Karel Appels "Tigerbird", an der Spitze (320 000). Ein gutes Herbst-Ergebnis von rund 22 Millionen Euro fuhr man im Münchner Haus Ketterer ein. Die Nolde-Welle rollte auch hier. Sämtliche zehn Arbeiten des Künstlers wurden weitergereicht, darunter das Hauptlos "Figur und Clematis" für 725 000 Euro. Bemerkenswerte Steigerungen auf 537 000 und 437 500 Euro erfuhren Max Pechsteins Landschaften "Wintermorgen" (1952) und "Rote Häuser" (1922). An August Mackes "Kinder am Brunnen" (500 000) dürften, wie zuvor schon bei Grisebachs Gemälde "Gelber Akt" (700 000), weder Motiv noch Preis überzeugt haben. Sie gingen zurück.

Mit den größten Ausschlägen fiel die Alte Kunst auf. Wenigen Höhenflügen standen zahlreiche Rückgänge gegenüber. So konnte Van Ham gerade etwas mehr als die Hälfte der Offerte zuschlagen, ohne für seine Hauptlose, darunter ein kleiner Landschaftstondo des älteren Jan Brueghel (200 000), Abnehmer zu finden. Nicht wesentlich positiver stellte sich die Lage bei Lempertz dar, wo zwar eine herausragende "Passion Christi" eines niederrheinischen Meisters um 1490 zur beinahe vierfachen Schätzung (322 000 Euro) vom Genfer Handel übernommen wurde, eine weitere Brueghel-Landschaft aber und vieles andere mehr ebenso hängen blieb - wie überhaupt die Brueghel-Familie ihren Zenit in der Gunst der Sammler überschritten zu haben scheint. Einer flämischen Ölstudie mit dem Kopf eines bärtigen Mannes hingegen traute man, auch ihres schlechten Zustandes wegen, mit 5000 Euro nicht allzu viel zu. Sie war das eigentliche Überraschungslos. Mit Aufgeld 390 000 Euro ließen sich die Londoner Skulpturen-Spezialisten Tomasso Brothers die Holztafel kosten, für die sie offensichtlich eine prominente Autorschaft im Auge haben. Auch bei Karl & Faber entpuppte sich ein unauffälliges Gemälde mit zwei Bischöfen als veritable Wiederentdeckung einer Predella-Tafel Filippino Lippis, als sich die Zuschreibung erhärtete, was dem internationalen Handel statt veranschlagter 20 000 Euro 375 000 abverlangte.

Besser schlugen sich die Neuen Meister des 19. Jahrhunderts, die bei Neumeister auch im Genre durchwegs gute Preise erzielten, bei Karl & Faber Wilhelm-Busch-Gemälde auf Rekordhöhe hoben, eine Menzel-Studie bei Grisebach mit Aufgeld über 200 000, bei Ketterer Franz von Stucks rätselnden "Ödipus" über 400 000 Euro kosten ließen. Was passiert, wenn wirklich Gewichtiges auf den Markt kommt, war im Berliner Haus Bassenge zu beobachten, wo zum dritten Mal eine aus Museumsbesitz restituierte Romantiker-Zeichnung zum Aufruf kam: Julius Schnorr von Carolsfelds stupendes Virtuosenstück "Zweig mit welken Ahornblättern" aus dem Jahr 1817. Bei 1,7 Millionen fiel der Hammer zugunsten einer Sammlerin aus Kalifornien. Allen Rekorden zum Trotz war es ein eher schwieriges Jahr. Geschmackswandel und Akquise bleiben die großen Herausforderungen auch 2017.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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