Kunstmarkt:Die freiesten Kreaturen

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Die Fotolegende F. C. Gundlach verkauft bei CFA Berlin Teile seiner Sammlung - um seine Stiftung zu retten.

Von Astrid Mania

Wer regelmäßig Horoskope liest, kennt sich aus mit den Launen des Firmaments. Da strahlt der eine Stern glücksverheißend über der Karriere, während ein anderer sich als Störenfried gebärdet und hartnäckig in Opposition zum Bankkonto steht. Eine ähnliche Konstellation beeinflusst momentan auch die Aktivitäten des beinahe neunzigjährigen, multi-aktiven F. C. Gundlach, legendärer Modefotograf, Sammler, Unternehmer, einstiger Galerist und Gründungsdirektor des Hauses der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen.

"Große Stiftungen profitierten vom Börsenboom, kleine leiden unter den niedrigen Zinsen."

Denn während seine Kunstsammlung im Zuge allgemeiner Preissteigerungen an Wert gewinnt, hat seine Stiftung Mühe, auf dem Kapitalmarkt genügend Geld zu erwirtschaften. So steht ein Teil seiner Privatsammlung nun in der Berliner Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) zum Verkauf. Visuelle Appetithäppchen wurden bereits auf den Messeständen in Köln und Basel gereicht. Nun aber heißt es Zugreifen. Jedoch ist das, was wie eine der vielen Verflüssigungsmaßnahmen wirkt, die das Boom-Segment des Kunstmarkts gerade hervorbringt, eine Rettungsmaßnahme in eigener Sache. Denn der Erlös aus den Verkäufen soll der Stiftung zugutekommen.

Gundlach rief die Stiftung vor 15 Jahren ins Leben. Ihr Zweck ist es, das eigene Œuvre sowie andere fotokünstlerische Nachlässe und Archive zu betreuen und Fotografie-Projekte aller Art zu unterstützen.

Nun müssen Stiftungen, so Verena Staats vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, immer Kapital einbringen, um ihre laufenden Kosten zu decken. Bei Gründungen, die sich dem Erhalt von Sammlungen oder Werkbeständen widmen, kann das Vermögen auch aus Kunst bestehen und nur zu einem geringeren Teil aus Geldmitteln. So ist es auch in diesem Fall. Laut Staats kann eine Stiftung grundsätzlich auch Teile einer Sammlung aus dem Stiftungskapital veräußern, um für die Betriebskosten aufzukommen. Diese Regelung müsse aber - und das ist bei der Gundlach-Stiftung nicht der Fall - von vornherein in der Satzung festgeschrieben werden, denn aufgelöst werden kann eine Stiftung nicht. Zwar können zivile Stiftungen im Prinzip auch insolvent werden, Staats selbst aber sagt, sie kenne keinen solchen Fall.

Große Stiftungen mit einem hohen Kapitaleinsatz profitieren vom gegenwärtigen Boom an der Börse, das belegt eine bislang unveröffentlichte Umfrage des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, aus der bereits im Wirtschaftsmagazin Capital zitiert wurde. Anders sieht es bei den "Kleinanlegern" unter den Stiftungen aus. Sie leiden unter der fortdauernden Niedrigzins-Politik. Hier muss zugefüttert werden.

Im Falle der Gundlach'schen Unternehmung lautet die Lösung: Selbsterhalt durch Selbstamputation. Aus dem Verkauf der privaten Werke soll das Kapital der Stiftung so weit erhöht werden, dass sie nahezu selbsttragend wird, so Sebastian Lux von der Stiftung. Bei Contemporary Fine Arts werde nun jener Teil des privaten Kunstbesitzes angeboten, der eine "Enklave" innerhalb der überwiegend fotobasierten Sammlung darstelle. Und jener Teil zelebriert die wilden Kerle einer Epoche, die momentan und zum wiederholten Male ihr Revival erlebt: die Achtziger. Im Münchner Haus der Kunst werden "Geniale Dilletanten" gefeiert; Alexander Wang schickt benietete Gothic Girls auf die herbstlichen Runways; und beim Ausverkauf der Sammlung des inhaftierten Kunstberaters Achenbach war der Ansturm so groß, dass sich etliche Preise vervielfachten. Dahinter stand sicher nicht nur die Faszination am Untergang des inhaftierten Kunstmoguls, sondern auch die nostalgische Lust am prickelnden Glamour vergangener rheinischer Kunstmarktmacht. Nun setzen auch bei CFA Martin Kippenberger, Georg Herold, Albert Oehlen, Günther Förg und Kollegen die Retromaschine in Gang.

Sie alle hatte Gundlach durch seine - wie es so schön heißt - fotografischen Dienstleistungsunternehmen kennengelernt. In seinen Fotogalerien PPS. Galerie F. C. Gundlach (in Hamburg seit 1975) und CCD (in Düsseldorf seit 1977) hatte er sie bis in die frühen Neunzigerjahre gezeigt. Und, wie man nun bei CFA sieht, auch gekauft.

Gundlach war selbst offenbar einer seiner besten Kunden. Zu seinen Erwerbungen zählen etwa jene "Vier Bronzeköpfe" von Förg, die neben einer Reihe monochromer und gestreifter Tafeln sowie großformatigen Schwarzweißabzügen gleich im Untergeschoss zu sehen sind. In der Beletage hat Georg Herold eigenhändig seinem Achtziger-Konvolut aus Kaviarbild, fotografischen Werken und Lattenskulpturen einen beschwörenden Farbflächenhintergrund verschafft: Es ist denn auch nur im Paket zu erwerben.

Im Hauptraum dagegen wecken kleinere und größere Kippenbergers Begehrlichkeiten: Zeichnungen auf Hotelbriefpapier, collagierte Momentaufnahmen aus dem BRD-Alltag oder die berühmte "Alkoholfolter"-Edition. Überhaupt der Rausch. Da hatte er Kippenberger noch nicht zerfressen, und auch im Fernsehen wurde noch geraucht und getrunken. Sigmar Polke schmuggelt seinen "Zwei Männern am Strand übermalt" ein paar Pilze ins Bild, und Werner Büttner sinniert auf seiner Zeichnung: "Unten aber arbeiten die freiesten Kreaturen, die die Schöpfung auf die Welt gelassen hat, noch immer als Sklaven des Biertrinkers . . ."

Der Blick in diesen Ausschnitt der Sammlung Gundlach beschwört eine Ära herauf, die heute gerne verklärt wird. Damals war "der Künstler" Tatsache und keine genderunspezifische Benennung. Er war ein Rebell, so die Autonomie-Romantiker, der sich nicht um den Markt oder die Autoritäten scherte.

In dieser kohärenten Form wird man all diese Werke wohl nicht mehr sehen. Zwar hat sich Gundlach bewusst gegen eine Veräußerung und Zerstückelung auf dem Auktionsmarkt entschieden, doch die Gefahr der Zerlegung seiner Sammlung besteht auch über den Vertriebskanal Galerie. Eine interessante Sammlung besteht eben nicht nur aus interessanten Einzelwerken, sondern auch aus einem interessanten und vielleicht mehr noch interessierten Blick auf die Kunst. So wird die Kunst hier beides, Nutznießerin und Leidtragende der aktuellen ökonomischen Gemengelage, Spekulationsmasse und Zuschussgeschäft zugleich.

Sammlung F. C. Gundlach. Contemporary Fine Arts, Berlin. Bis 1. August.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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