Kunstmarkt:Auktion mit Idee

Lesezeit: 3 min

Ein Skateboarder rast durch die Lager von Christie's - Promovideo einer Auktion 2014. (Foto: Christi)

Die Auktionshäuser Christie's und Sotheby's in New York machen vor, warum auch der Kunstverkauf inzwischen ideenreiche Kuratoren braucht.

Von Astrid Mania

Die Fähigkeit zur Selbstironie mag zwar das Leben leichter machen, ist im Kunstbetrieb jedoch selten anzutreffen. Umso überraschender, dass sie sich zu einem Marketingtool auf dem Auktionsmarkt entwickelt hat. Am 8. Mai veranstaltete Christie's New York die Auktion "Bound to Fail" (Zum Scheitern verurteilt). Sie umfasste Arbeiten so verschiedener Künstlerinnen und Künstler wie Ana Mendieta, Jeff Koons, Carroll Dunham, Robert Morris oder auch Martin Kippenberger, verbunden durch einer konzeptuelle Klammer: All diese Künstler seien das Risiko eingegangen, sich an den Grenzen von Kunst und kommerziellem Erfolg zu bewegen. Und auch wenn der Erfolg der Auktion nicht so spektakulär war, wie es Christie's behauptet, die Ironie ist geglückt: Im Rahmen der umgesetzten rund 70 Millionen Euro wurden für sieben Künstler neue Rekordpreise erzielt. Hierzu gehören die 17 189 000 US-Dollar für Maurizio Cattelans "Him", eine Hitler-Skulptur. Allerdings liegt dieser Betrag nicht dramatisch über dem oberen Schätzpreis von 15 Millionen US-Dollar. Überhaupt ist ein Großteil der Werke preislich in den Grenzen der Schätzungen geblieben.

Dennoch - die "curated capsule auction", die kuratierte und kondensierte Auktion, erweist sich bislang als erfolgreiche Strategie. Die großen Auktionshäuser, allen voran Christie's und Sotheby's, arbeiten beständig daran, sich zwischen kunsthistorischem Gütesiegel und Glamour zu positionieren. Als Sotheby's New York am 9. November 2011 acht abstrakte Gemälde von Gerhard Richter im Angebot hatte - die zu Rekordpreisen zugeschlagen werden sollten - publizierte das Auktionshaus vorab einen Sonderkatalog, der die Werke in einem nobel gediegenen Wohnzimmer- und Büroambiente, einer Art Sammler-Musterhaus ansiedelte. Flankiert wurden die Einrichtungstipps von einem Text, in dem Hans Ulrich Obrist, Norman Rosenthal und Robert Storr ihren Ruf und ihre Expertise verkaufsfördernd in die Waagschale warfen. Interieur und Intellekt.

Bei Sotheby's hatte man verstanden, dass es nicht allein auf die Güte der Werke, sondern ebenso auf die Inszenierung ankommt. Das Defilee der Lose, der Hochglanzkatalog, die Glaubwürdigkeit der Experten, die verlässliche Provenienz, all das gehört in eine Zeit, als Seriosität und Diskretion zu den Versprechen der Versteigerern gehörten - und entsprechend honoriert wurden. Tobias Meyer, bei seinem Ausscheiden Ende 2013 Worldwide Head of Contemporary Art, hatte ein neues Motto ausgegeben: "Let's make it sexy!" Meyer hatte nicht nur die Auktionen, sondern auch sich selbst zum Ereignis gemacht. Die Medien liebten ihn. Besser als der "Bayern-Ludwig" sei er bei der Einrichtung seines Heims vorgegangen, hieß es etwa an einer Stelle. Und mit jedem Los, das er zuschlug, ging etwas von diesem Glanz auf den Käufer über.

Bei Christie's gilt neuerdings: Sexy is so last season. Mit Loic Gouzer, zum "Deputy Chairman Post-War and Contemporary" befördert, regieren Coolness und Content. Gouzer verkörpert Öko-Glamour, postet als Taucher eifrig Meeres- und Fischbilder (und auch ein wenig Kunst) bei Instagram und ist, wie man überall nachlesen kann, mit Leonardo DiCaprio befreundet. Auf Gouzers Konto geht der Clip zu seiner ersten kuratierten Auktion "If I Live I'll See You Tuesday" am 12. Mai 2014 in New York. Darin schrammt ein professioneller Skateboarder bei seiner Runde durch die Verkaufs- und Lagerräume von Christie's haarscharf an manchem Werk vorbei, das in besagter Auktion zu einem Rekordpreis versteigert wurde. Untermalt wird das Video vom Werbe-Hit "Sail" der immer noch als irgendwie edgy geltenden Band Awolnation. So war noch keine Auktion angepriesen worden - ganz zu schweigen davon, dass ein Auktionshaus einen Blick in seine Depots und auf seine tätowierten Lageristen zugelassen hätte.

"If I Live I'll See You Tuesday" war ein Erfolg, auch wenn angeblich der eine oder andere Gentleman alten Schlages vor Schreck in Schnappatmung verfallen war. Gouzers zweiter kuratorischer Coup, "Looking Forward to the Past", der am 11. Mai 2015 in New York stattfand, schloss vage künstlerische Innovation mit Inspiration beim Vergangenen kurz. Er bescherte dem Auktionshaus mit Picassos "Les Femmes d'Alger, Version O" den aktuellen Höchstpreis für ein Kunstwerk überhaupt. Ein Jahr später folgte dann "Bound To Fail". Ein cooler Werbetrailer auch hier, frech, aber womöglich generationenübergreifender als die Skateboard-Nummer: Das Video zitiert die Titelsequenz aus Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum", setzt aber an die Stelle des Erdballs einen schwimmenden Basketball aus dem Hause Jeff Koons.

Fast alle großen Versteigerer haben zumindest ihre Webseiten aufgerüstet. Mitunter merkt man vor lauter Interviews mit Künstlern oder Beiträgen namhafter Kuratoren gar nicht mehr, ob man auf der Seite von Sotheby's, artnet oder artsy ist. Die kuratierte Auktion aber geht einen Schritt weiter, weil sie das Werk samt sinnstiftendem Zusammenhang verkauft. Was bislang das Privileg externer Kuratoren war - und die Leihgabe aus einer Privatsammlung an ein Museum oder in eine temporäre Ausstellung so attraktiv gemacht hat - wird nun gleich bei der Versteigerung mitgeboten: die Einbettung in einen kunsthistorischen Kontext, die Aufladung mit einer Rahmenerzählung, die den symbolischen und damit monetären Wert steigert.

Diese Strategie ist als intellektuelles Instant-Erlebnis in der gegenwärtigen Marktlogik derart bezwingend, dass man sich fragen muss, wieso die Auktionshäuser sie nicht längst etabliert haben. Wahrscheinlich mussten erst die öffentlichen Institutionen einen Teil ihrer Unabhängigkeit und damit ihres Prestiges verlieren. Nun können die Institutionen des Marktes die Nobilitierungsmechanismen der Museen mit übernehmen. Denn eine "curated capsule auction" kann nur dann glaubwürdig sein, wenn deren Kunden keine Ironie darin sehen, dass sich Markt und Museum der gleichen Strukturen bedienen.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: