Kunstliteratur:Die Schrullen der Schöpfer

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In seinen Lebensbeschreibungen hat Giorgio Vasari die Künstler geerdet und manchen von ihnen den Himmel gegönnt: Nun ist die neu übersetzte, kommentierte Gesamtedition der "Vite" abgeschlossen.

Von Kia Vahland

So umfangreich wie die Bibel sei Giorgio Vasaris Vitenwerk bedeutender Künstler vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, schreiben die Herausgeber der just vollendeten deutschen Gesamtedition. Natürlich ist jeder Vergleich mit der Heiligen Schrift vermessen. Gerade deshalb passt er so gut zu diesem Autor, nicht nur, was Seitenzahl und Kommentierungsbedarf der Texte betrifft. Was hat Vasari (1511-1574), der gelernte Maler, nicht alles getan, um die Künstler erst zu Menschen zu machen und dann zu Göttern. Menschen mussten sie werden, um die im intellektuellen Leben führenden Schriftsteller herauszufordern, um aufzusteigen aus der anonymen Masse der Handwerker und sich als Individuen zu entfalten - was hieß, alle Schrullen öffentlich auszuleben, bis hin zur Lächerlichkeit. Andrea del Sarto steht bei Vasari unter dem Pantoffel seiner Frau, Pontormo ist ein Hypochonder, Parmigianino ein Alchimist, Paolo Uccello ein Käse-Phobiker. Leonardo da Vinci füllt sein Zimmer mit aufgeblähten Hammeldärmen. Michelangelo müffelt, weil er vor lauter Arbeitseifer in Stiefeln schlafen geht. Alles nur erfunden? Wahrscheinlich. Aber wirkungsvoll. Man muss sie einfach mögen, Vasaris zwischen Genie und Wahn balancierende vormoderne Neurotiker.

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