Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi:Der Meister will mehr

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Mit dem Dokumentarfilm "Beltracchi - Die Kunst des Fälschens" wurde die nächste Stufe der Legendenbildung um Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi gezündet. Doch der arbeitet bereits an einer Zweitlinie - er wird Künstler.

Von Catrin Lorch

Genialer Fälscher, dafür gibt es jetzt in Deutschland ein Synonym: Beltracchi. Doch der Prominente, der seine Haft als Freigänger verbüßt, arbeitet an einer Zweitlinie - er will auch Künstler sein. Unterstützung bei der Resozialisierung gewähren die Medien, die das Kriminalstück gerne kolportiert haben, bei dem sich der Kunstmarkt total blamierte. Ein Meisterstück, sagen vor allem die, die zu Beltracchis Opfern zählen, vom Auktionator bis zum Kritiker. Oder Hüter des Werkverzeichnisses - Werner Spies' Zitat "genial" prangt jedenfalls auf dem Kinoplakat des Dokumentarfilms "Beltracchi - Die Kunst des Fälschens", mit dem - nach der Veröffentlichung von zwei Büchern der Beltracchis - die zweite Stufe der Legendenbildung gezündet wird:

Auch wenn Regisseur Arne Birkenstock insistiert, nicht Teil der "Propagandamaschine" zu sein - ein Film, der launig bekannte Höhepunkte der Fälscherbiografie nachstellt, kann nicht als distanzierte Betrachtung gesehen werden. Vor allem, weil sich der Reuige eigentlich nur für seine Karriere in der Kunst munitioniert, mit den bekannten Superlativen: genial, meisterlich, virtuos. - Kriminell? Klar sei er kriminell gewesen, geschenkt. Doch so lange am Geniebegriff nicht gekratzt wird, kostet ihn das Bekenntnis nichts. Dass er schon mal die falschen Farben verwendete, Matisse mit doppeltem "T" schrieb und einen Titel wie "Souvenir de Anvers" fehlerhaft buchstabierte - das lässt der Film unerwähnt.

Überlegungen zu Stil- und Preisfragen

Er kann darauf zählen, dass die Medien für ihn sprechen. Beltracchi triumphiere doch über das Kunstsystem heißt es, man solle seinen Fälschungen ein Museum einrichten, forderte die FAZ, während sich Helene Beltracchi in der Zeit darüber freuen darf, wie stolz ihr Mann auf die "Qualität seiner Bilder" gewesen sei, von denen eines von der Witwe Max Ernsts zum "besten Bild ihres Mannes" erklärt wurde.

Erstaunlich, wie viel Zeit so ein Freigänger hat. Im Film pendelt Beltracchi von Frankreich nach Freiburg, derzeit tingelt er durch Talkshows, Gesprächsrunden, auf Premierenpartys (bei denen er sich die Einladung kritischer Journalisten verbittet) und - nein - noch nicht zu Vernissagen. Sie sind aber so gut wie annonciert. Der Film endet mit Überlegungen zu Stil- und Preisfragen. Ein Kunsthistoriker rät: Besser weiter im Stil von Max Ernst malen. Für authentische Beltracchis, bunte Engel, sehe er keinen Markt. Womit er sicher recht hat - kein zeitgenössischer Künstler hätte je so viel Aufmerksamkeit bekommen wie der Fälscher Beltracchi.

© SZ vom 12.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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