Kunst und Politik:Die Welle kommt erst noch

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Das Ujazdowski-Zentrum in Warschau. (Foto: Florian Hassel)

In Polen werden Kulturinstitute auf Linie gebracht: Missliebige Ausstellungen werden unterbunden, diffamiert und abgesagt.

Von Florian Hassel

Es dauerte nicht lang, bis die Mitarbeiter des Zentrums für zeitgenössische Kunst im Warschauer Ujazdowski-Schloss zum ersten Mal die Handschrift des neuen Direktors erkennen konnten. Piotr Bernatowicz, zum 1. Januar 2020 trotz scharfer Kritik aus Fachkreisen als Direktor des führenden polnischen Museums für zeitgenössische Kunst durchgesetzt, sagt nun etliche Ausstellungen und Veranstaltungen ab. Darunter ist auch eine für November 2020 mit den Berliner Kunst-Werken geplante Ausstellung der belgischen Installations- und Performancekünstlerin Miet Warlop.

Die offizielle Begründung Bernatowcizs in der Gazeta Wyborcza: "fehlerhafte Planung der Haushaltsplanung 2020 durch die vorangegangene Direktion". Die Ausstellung berge ein finanzielles Risiko, das das Museum nicht tragen wolle. Doch Małgorzata Ludwisiak, die Ende 2019 abgelöste Direktorin, sagt: "Die Planung für 2020 wurde über Monate mit allen Beteiligten abgestimmt - und vom Kulturministerium abgesegnet."

Kritiker befürchteten sofort nach der ohne Ausschreibung vollzogenen Berufung Barnatowiczs durch Kulturminister Piotr Gliński, dass nach anderen Kultureinrichtungen auch das Ujazdowski-Zentrum auf die Linie der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gebracht werden solle. Im westpolnischen Posen fiel Bernatowicz als Galeriechef mit nationalkonservativen Positionen auf. In Warschau kuratierte er eine Ausstellung, die den Mythos von Smolensk pflegte: die seriösen Untersuchungen widersprechende Behauptung der PiS, der Flugzeugabsturz von Smolensk, bei dem im April 2010 der damalige Präsident Lech Kaczyński starb, sei kein Pilotenfehler gewesen, sondern ein Anschlag Russlands oder der Opposition.

Miet Warlop, deren Ausstellung nun abgesagt wurde, unterschrieb 2019 ebenso wie Kunst-Werke-Direktor Krist Gruithuijsen eine Petition, in der Kunstschaffende Minister Gliński aufforderten, die Berufung Bernatowiczs zurückzunehmen. Gruithuijsen wurde nun informell informiert, die Ausstellung werde wegen angeblicher Haushaltskürzungen abgesagt. "Wir schauen besorgt auf die Zukunft der unabhängigen und progressiven polnischen Kunstszene", so der Kunst-Werke-Direktor. "Die extrem konservative Welle, die derzeit nicht nur Polen, sondern viele Länder Europas erfasst, steht erst am Anfang und wird noch mehr Schaden anrichten."

Tradition, Hierarchie und ewige Werte. So etwas gefällt der Regierung

Direktor Bernatowicz sagte auch die Avantgarde-Ausstellung "Seltene Sprachen" ab, die Literaturperformance und visuelle Kunst verband. Kuratorin Joanna Zielińska hat das Ujazdowski-Zentrum verlassen - und wird die Ausstellung nun am Antwerpener Museum für Gegenwartskunst zeigen. Gestrichen wird am Ujazdowski auch "PTV: Performance TVK", letzter Teil einer 2017 begonnenen experimentellen Video-Performancereihe.

Auch die Zusammenarbeit mit dem "Antifaschistischen Jahr", einer Gruppe polnischer Künstler, Wissenschaftler und Bürgergruppen, die seit September bis zum 8. Mai 2020 Veranstaltungen über Krieg und Faschismus organisieren, war nicht nach Bernatowiczs Geschmack. Eine für den 10. März im Ujazdowski-Zentrum geplante Diskussion über Umberto Ecos Essay "Ur-Faschismus" stornierte Bernatowicz ebenso wie weitere Veranstaltungen. In seiner Absage an Mitorganisator Michał Kozłowski störte sich Bernatowicz etwa am bereits diskutierten Theodor Adorno, der in der 1950er Pionierstudie "Die autoritäre Persönlichkeit" diese fälschlicherweise mit "konservativen Weltbild" und "Wertschätzung von Tradition, Hierarchie und ständigen Werten" gleichgesetzt habe - Kernwerten der heutigen Regierung Polens.

Die richtige Wertschätzung der Kernwerte ist aus Sicht des neuen Direktors offenbar eher am im Entstehen begriffenen"Museum der verfemten Soldaten und politischen Häftlinge der Volksrepublik Polen" zu finden. Das Museum, untergebracht in einem ehemaligen Gefängnis für politische Gefangene an Warschaus Rakowiecka-Straße, begeht am 1. März den "Nationalen Gedenktag der verfemten Soldaten": Mit diesen feiert die Regierung Polen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch etliche Jahre gegen das erst entstehende kommunistische Regime in Polen kämpften. In dem entstehenden Museum müssen Mitarbeiter des Ujazdowski-Zentrums nun helfen, eine entsprechende Installation des Künstlers Jerzy Kalina aufzubauen.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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