Kunst und Diversität:Das Museum Ludwig füllt seine Lücken

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Von Alexander Menden

Wüsste man nicht, welche Vorbereitungszeit Ausstellungen dieses Formats erfordern, könnte man versucht sein, "Mapping the Collection" im Kölner Museum Ludwig (bis 23. August) als spontane Reaktion auf die Black-Lives-Matter-Bewegung zu lesen. In Wahrheit hat die Kuratorin Janice Mitchell zwei Jahre daran gearbeitet, die Lücken der Ludwig-Sammlung amerikanischer Nachkriegskunst aufzuspüren und durch Leihgaben temporär zu füllen. Aktuell ist die Betonung "postkolonialer, feministischer, queerer oder gender-theoretischer Fragestellungen" natürlich schon länger. All diese Einordnungen überspannt aber stets die Frage, warum manche Künstlerinnen und Künstler Teil des Kanons (und der Sammlung) sind und andere nicht.

Es ist bemerkenswert, welch unterschiedliche Bewertungen zur gleichen Zeit entstandene Arbeiten ähnlicher Qualität erfahren haben. Kontrastiert man Roy Lichtensteins "Red Barn II" (1969) und "All the Tired Horses" (1971, unser Bild) des Kiowa-Künstlers T.C. Cannon, ist der spielerische Umgang mit folkloristischen Konventionen bei beiden gleich stark ausgeprägt. Historisch profunder wirkt aber Cannon, wenn er ironisch Indianer-und-Cowboy-Stereotypen aufgreift. Die Gemälde des Afroamerikaners David Hammons' spielen mit Stars-and-Stripes-Patriotismus und kontrastieren ihn mit einer Realität, die sehr gegenwärtig wirkt: Mit "Feed Folks" von 1974 etwa assoziiert man sofort die seit dem Corona-Ausbruch immer länger werdenden Schlangen vor amerikanischen Foodbanks.

Die Umbrüche, die sich im Civil Rights Movement, im Anti-Vietnamkriegsaktivismus, in Frauenbewegung, Black Power und Stonewall Riots manifestierten, verbindet man heute zwar wie selbstverständlich mit einem tief greifenden Wandel in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Doch schwarze Künstlerinnen wie Barbara Chase-Riboud, deren Arbeit "Time Womb" (1967) zu den Entdeckungen der Kölner Schau gehört, wurden damals beim Aufbau der Sammlung oft zugunsten von weißen Pop-Art-Stars wie Claes Oldenburg übersehen. Indem das Museum Ludwig mit Janice Mitchells kluger Kartografierung nun selbst auf diese blinden Flecken hinweist, erweitert es den Blickwinkel des Besuchers.

© SZ vom 27.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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