Kunst-Science-Festival:Tanz und Technik

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Der Künstler Leo Bettinelli und die Tänzerin Ada Ramzews spielen die Laserharfe und machen Licht und Bewegung zu Klang. (Foto: Johannes Simon)

Die "Ars Technica" blickt in die Zukunft und beschäftigt sich choreografisch mit Perfektion und Seele

Von Udo Watter

Das, was auf der Bühne so traumwandlerisch stimmig aussieht, entsteht bei Ada Ramzews oft im Halbschlaf. In einem Zustand luziden Dahindämmerns kommen die Gedanken quasi ins Tanzen, schweben ihr besonders schöne Ideen für Choreografien zu. "Gerade, was den Anfang und das Ende betrifft", sagt die 29-Jährige. Allzu viel Schlaf gönnt sich die junge Choreografin, Regisseurin und Tänzerin in der Regel nicht, und auch zum Essen verlässt sie die Räumlichkeiten der privaten Ballettschule Benedict-Manniegel (B&M) in der Innenstadt derzeit nur selten. "Bei mir gibt es eigentlich keine Grenze zwischen Arbeit und Leben." Das sei freilich ein Luxus, nämlich "das zu tun, was ich liebe".

Ausgebildet in klassischem und modernem Tanz, steht für Ramzews an diesem Wochenende zweifellos ein besonderes und neues Kapitel dieser Liebesaffäre an: die gebürtige Münchnerin, die schon in vielen Produktionen der B&M Company als Solistin agierte, wird Protagonistin in einem Laserharfenballett sein, das es so in dieser Form vermutlich noch nicht gab. Schauplatz dieser Fusion von Tanz und der Licht-Sound-Installation "Laserharp Q" des Wiener Künstlers Leo Bettinelli wird diesen Freitag, 28. April, das Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz) in Unterhaching sein: Ramzews wird sich in der Laserharp - ein Metallkubus, dessen Außenseiten harfengleich mit Laserstrahlen besaitet sind - bewegen. "Durch die Unterbrechung der Laserstrahlen mit dem Körper entstehen Töne, der Tanz schafft eine eigene Soundkulisse", erklärt sie. Ihr Partner Bettinelli agiert auf der Bühne als Musiker, der mit ihr gleichsam ein Stück spielt.

Diese Uraufführung ist nur eine von mehreren Inszenierungen, welche Tänzer der B&M Dance Company, die sich aus Absolventen der Ballettschule Benedict & Manniegel und professionellen Tänzern zusammensetzt, im Kubiz zeigen: die Veranstaltung "Ballett Kaleidoscope" bildet auch den performativen Auftakt zur siebten "Ars Technika" in Unterhaching. Zum dritten Mal gestalten B&M-Protagonisten ein Programm während des mehrtägigen Kunst-Science-Festivals. 2013 begann es mit "Tanz. Maschine!", und 2015 folgte die Reloaded-Version, angereichert mit tänzerischen Visualisierungen von Molekülbewegungen und mathematischen Spiegelungsverhältnissen. Ramzews, die bereits mit diesen Choreografien eine Brücke in die Biochemie und Mathematik schuf, findet die "experimentelle Forschungsarbeit" an der Schnittstelle zwischen Kunst und Technik" reizvoll. "Das liegt gar nicht so fern: Man braucht auch beim Tanz Technik, Handwerk, Struktur. Es gibt dort viele maschinelle Aspekte, und teils sind die Bewegungen beim Proben fast stupide", sagt sie.

Der technischen Perfektion als Ideal mangelt es indes an Seele und individueller Ausdruckskraft - ein interessantes Spannungsfeld. Ramzews, die sonst gerne auch poetische Themen choreografiert oder sich als Regisseurin an größere Inszenierungen heranwagt, wie im Sommer 2016 an Glucks "Orphée et Eurydice" bei "Oper in Starnberg", schätzt diese Herausforderung. Sie agiert in Unterhaching noch in einem weiteren Stück (Robotalk) mit Natalie Bury, das humorvoll-maschinell die Banalitäten von Streitigkeiten darstellt. Generell wird das Konzept des Kaleidoskops auf den Körper und sein Bewegungsspektrum adaptiert. Umgesetzt wird das durch diverse Choreografen: Laurel Benedict - die ehemalige Primaballerina hat 1991 die B&M Ballettschule gegründet -, ihren Mann Heinz Manniegel, Ryan Mason sowie Bury und Ramzews.

Auf der "Ars Technica" wird freilich mehr geboten als die Vermählung von Tanz und Technik. Das Festival, das der pensionierte Ingenieur Torsten Kresse im Jahr 2000 initiierte, wartet mit der Ausstellung "Licht, Klang Bewegung" in der Hachinga-Halle auf, wo der Besucher Electronic Art, Computerkunst oder mechanische Kunstmaschinen bestaunen kann: von Hajo Drott, Herbert W. Franke, dem bald 90-jährigen Gründer der "Ars Electronica", oder Charly Ann-Cobdak. Hinzu kommen Videoanimationen, Science Kabarett inklusive einer Diskussion mit Fachleuten. Am Montag zur Finissage folgt eine weitere Diskussion unter dem Motto "Politische Kunst in unserer Gesellschaftssituation". "Wir wollen auch was bewegen", sagt Kresse.

Bewegen will Ramzews, die überdies als Ballettpädagogin und Literaturwissenschaftlerin ausgebildet ist und Kulturmanagement studiert, ebenfalls noch viel. Der B&M-Ballettakademie ist sie schon lange verbunden ("Ich bin ein Kind der Schule") und übernimmt dort auch organisatorische Aufgaben. "Für mich ist es wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen und mein Ziel ist es, eventuell eine eigene Institution aufzubauen." So ambitioniert und zielstrebig wie sie wirkt, dürfte dieser Traum in Erfüllung gehen. Und nicht nur im Halbschlaf.

Ars Technica , Freitag, 28. April, bis Montag, 1. Mai, Programm unter www.ars-technica.de

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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