Kunst:Im Labyrinth der Filmgeschichte

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Auf den Discofilm-Klassiker "Saturday Night Fever" mit John Badham und John Travolta beziehen sich Marc Weis und Martin De Mattia in einer Arbeit aus ihrem Filmzyklus "7 Tage". (Foto: Setfoto © M+M)

Fast sieben Jahre lang hat das Münchner Künstlerduo M+M an seinem Zyklus "7 Tage" gearbeitet - und ihn dann um einen achten Tag ergänzt. Das Ergebnis ist jetzt in der Ausstellung "Fieberhalle" in der Villa Stuck zu sehen

Von Jürgen Moises

Gott hat die Welt bekanntlich in sechs Tagen geschaffen und am siebten hat er geruht. Das Münchner Künstlerduo M+M (Marc Weis und Martin De Mattia) hat an seinem Filmzyklus "7 Tage" fast sieben Jahre lang gearbeitet, hat danach aber noch immer nicht geruht, sondern diesen durch "Der 8. Tag" erweitert. In der Ausstellung "Fieberhalle" in der Villa Stuck sind die acht "Tage" nun zu sehen, zusammen mit "Mad Mieter", der ersten 3-D-Arbeit des Duos, die zugleich das erste in der Villa Stuck gezeigte 3-D-Werk überhaupt darstellt. Alle zusammen führen sie in das Labyrinth der Filmgeschichte, in Form einer Nachinszenierung filmischer Schlüsselszenen oder der Heraufbeschwörung von Stimmungen und Themen.

Tatsächlich tritt man auch als Besucher in ein Labyrinth, das mit Baugerüsten konstruiert wurde und sich im ehemaligen Ateliergebäude Franz von Stucks über zweieinhalb Stockwerke erstreckt. Dort flimmern die Filme als Loops an Wänden oder werden auch auf Bildschirmen gezeigt. Im Falle der "Tage" sieht man in jedem Film dasselbe Gesicht, und zwar das des österreichischen Schauspielers Christoph Luser. Er spielt in allen, nach Wochentagen benannten Filmen die Hauptrolle, und das gleich doppelt, weil jede Episode in zwei Varianten abläuft. Darin agiert Luser mit verschiedenen Spielpartnern, die sich meist durch Geschlecht oder Alter unterscheiden. Die Dialoge sind aber die gleichen.

Sie entstammen Szenen aus bekannten Filmen wie "Saturday Night Fever", Godards "Verachtung" oder Kubricks "Shining" sowie weniger bekannten wie "Tenebre" von Dario Argento und "Franziskus" von Liliana Cavani. Es sind oft Momente der Identitätsfindung, die sich um Themen wie Sexualität, Erotik, Gewalt oder familiäre Abgründe drehen. Im Falle von "Shining" ist das etwa ein Dialog zwischen Vater (im Original gespielt von Jack Nicholson) und Sohn, der hier durch eine Frau und ein Mädchen ersetzt wird. Bei "Saturday Night Fever" ist es eine Disco-Szene, in der Christoph Luser einmal mit einem Mann, einmal mit einer Frau flirtet und bei "Die Verachtung" die berühmte Bett-Szene mit Michel Piccoli und Brigitte Bardot.

Die Dialoge laufen parallel, aber zeitlich leicht versetzt ab. Wodurch das Gesprochene stärker ins Zentrum rückt, ähnliches gilt aufgrund der Doppelung und Wiederholung für Gestik, Mimik, schauspielerische Nuancen. Das erfordert ein bewusstes, aufmerksames Hören und Sehen, ohne dass man gleich wie Heinz Peter Schwerfel im Ende November erhältlichen Katalog eine Kluft zwischen Kunst und Kino aufmachen oder das Museum zum besseren Kino erklären muss. Da waren Theoretiker wie Balázs oder Arnheim in den Dreißigerjahren schon weiter. Eher haben M+M einen filmischen Echoraum geschaffen, in dem man etwas über die Mechanismen des Kinos und mindestens genauso viel über die Obsessionen von M+M wie die der Figuren erfährt. Der sich losgelöst davon aber auch als Abbild einer zersplitterten Persönlichkeit lesen lässt.

Für Christoph Luser haben sich M+M entschieden, weil man ihn fast "wie ein Radio anknipsen", er auf Zuruf eine bestimmte Geste oder Mimik abrufen kann. Außerdem sind etwa Sibylle Canonica in einer Mutterrolle und Thomas Loibl als Teufel zu sehen. Konkurrenz bekommen sie durch die Darstellerin in "Mad Mieter": Eine echte Gottesanbeterin, für die M+M eine kleine Wohnung gebaut haben.

Das Ergebnis ist ein 3-D-Insekten-Horrorfilm, der an Kafka aber noch mehr an die "Mieter"-Trilogie von Roman Polanksi andockt und an dem M+M zwei Tage gedreht haben. Dass die Gottesanbeterin am Ende einen Eindringling auffrisst, war für die Filmemacher eine glückliche Fügung. Für den Zuschauer ist es, darf man sagen, ein doch recht erschreckender Moment.

M + M: Fieberhalle , Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, bis 12. Januar

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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