Kunst:"Ich bin doch kein Feigenblatt"

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Museum Georg Schäfer verliert seine Provenienzforscherin

Von Sabine Reithmaier, Schweinfurt

Sibylle Ehringhaus verlässt das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Der Vertrag der unabhängigen Provenienzforscherin endet am 31. Dezember, das Angebot, ihn zu verlängern, hat sie ausgeschlagen. Der Grund: "Ich hätte erwartet, dass aus meiner Arbeit Konsequenzen gezogen werden, aber das ist nicht der Fall", sagt sie. "Das kann ich nicht unterstützen, ich bin doch kein Feigenblatt."

Vor drei Jahren hatte die Stadt Schweinfurt, die Betreiberin des Museums, die promovierte Kunsthistorikerin eingestellt mit dem Auftrag, den Bestand auf potenzielle Raubkunst hin zu untersuchen. Denn der Leihgeber des Hauses, die Dr. Georg-Schäfer-Stiftung, sieht sich bereits seit 20 Jahren mit Restitutionsersuchen konfrontiert. Für großen Ärger sorgte beispielsweise schon vor Jahren Max Liebermanns großes Porträt "Martha im Lehnstuhl". Das Gemälde, gekauft vom Sammler Georg Schäfer nach 1955, hatte die Gestapo nach dem Selbstmord der Witwe im Jahr 1943 beschlagnahmt. Die 85-Jährige hatte sich vergiftet, kurz bevor sie in ein Konzentrationslager transportiert werden sollte. Zu einer Rückgabe an die Erben war das Museum nicht bereit, da es sich nicht an die Grundsätze der Washingtoner Erklärung zum Umgang mit NS-Raubkunst gebunden fühlt. Anders als öffentliche Einrichtungen sind private Sammler wegen der gesetzlich festgelegten Verjährungsfristen bisher nicht verpflichtet, ein verfolgungsbedingt entzogenes Kunstwerk zurückzugeben.

Zwei Jahre dauerte es, bis Ehringhaus die 21 Restitutionsbegehren untersucht hatte. In den meisten Fällen bestätigte sich der Verdacht; die Provenienzforscherin wies auch daraufhin, dass es eigentlich keine Entschuldigung mehr gebe, die Rückgabe zu verweigern. Restituiert wurde bisher nichts, auch weil - so argumentierte der Stiftungsvorstand der Main Post gegenüber - ihre Satzung das nicht zulassen würde. Die Bilder machten schließlich das Stiftungskapital aus, die könne man nicht herausgeben, ohne sich strafbar zu machen.

Im dritten Jahr ihrer Tätigkeit wandte sich Ehringhaus den verbleibenden 980 Gemälden des Museums zu. "Da bin ich nicht sehr weit gekommen, weil das Haus noch kein digitalisiertes Inventar besitzt", sagt sie. Der Bestand sei auf Papier erfasst, die Angaben zur Provenienz meist nur rudimentär. "Ich brauche ein Verzeichnis, das am Computer abrufbar ist, sonst kann ich keine Zusammenhänge erkennen." Also begann sie den Gesamtbestand zu erstellen, inzwischen ist eine Datenbank eingerichtet. Um den Wunsch nach konkreten Zahlen hinsichtlich der Raubkunstwerke zu erfüllen, teilte sie die Bilder nach einem Ampelsystem ein in unverdächtig, verdächtig, höchstverdächtig und belastet. "Das kann man machen", sagt Ehringhaus, wirklich aussagekräftig sei das aber nicht. Da die meisten Werke nicht untersucht sind, gelte der überwiegende Teil als verdächtig. "Da wäre jetzt eine jahrelange Forschung notwendig, um ein stichhaltiges Ergebnis zu erzielen." Die belasteten Bilder sind im Depot verschwunden, werden auch nicht ausgeliehen.

Museumsleiter Wolf Eiermann möchte einstweilen zum Abgang der Provenienzforscherin und einer möglichen Nachfolgerin nichts sagen. Es werde, lässt er am Telefon mitteilen, Mitte Januar eine Pressemitteilung geben.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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