Kunst:Horst Meier, Künstler und Spion

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Horst Meier arbeitete für den Auslandsgeheimdienst der DDR. Erst im fortgeschrittenen Alter entwickelte er sich auch zum Künstler. Jetzt sind seine Skulpturen in der Ausstellung "Aus dem Schutzraum der Heimlichkeit" zu sehen.

Von Jens Schneider

Bis zuletzt sind die 25 Skulpturen von Horst Meier, der einige Jahre lang der Spion Erwin Miserre war, eine verborgene Kunst geblieben. Zu seinen Lebzeiten lehnte Meier jede öffentliche Ausstellung seiner Plastiken ab. Er sei ein uneitler Mensch gewesen, sagt Günther Rothe, der Kurator der Ausstellung "Aus dem Schutzraum der Heimlichkeit", die bis zum 19. Mai im Hotel "Westin Grand" an der Berliner Friedrichstraße die Arbeiten von Meier zeigt. Die Zurückhaltung hat mit der besonderen Geschichte des Künstlers zu tun, die erst jetzt öffentlich wird, im Jahr nach seinem Tod.

Meier arbeitete einst für den Auslandsgeheimdienst der DDR in Brüssel - unter einer neuen Identität. Erwin Miserre lautete der Name, unter dem er vor fünf Jahrzehnten in der belgischen Hauptstadt lebte. Erst dort entwickelte er sich zum Künstler. Meier war schon 41 Jahre alt, als er 1963 nach Brüssel ging. Er hatte zuvor als Journalist gearbeitet, war Kulturredakteur beim Freien Wort in Suhl. Nun betreute er in Brüssel als Verbindungsmann Agenten, die für die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der DDR die Nato ausspionierten.

In dieser Zeit schrieb er sich dort an der Königlichen Akademie ein und bewarb sich als Assistent und Schüler beim angesehenen belgischen Bildhauer Oliver Strebelle. Meiers erste eigene Werke entstanden. Im Jahr 1976 drohte seine Tarnung aufzufliegen, Meier kehrte in die DDR zurück und lebte fortan mit seiner zweiten Frau, einer Belgierin, in einem Dorf in Brandenburg, im Ruhestand.

Seine Geschichte als Spion kannte dort niemand. Seine Werke verkaufte er nur über persönliche Kontakte. Markus Wolf, der Chef des DDR-Geheimdienstes, erhielt zum 60. Geburtstag zwei Skulpturen. Erst im letzten Jahr gab er dem Kurator Rothe für die Präsentation der Bronze-Plastiken die Freigabe. Es sind Skulpturen mit einer starken eigenen Formensprache, die "Das fliegende Auge" heißen, "Knieende Nonne" oder "Eskimo / Frau des Hohen Nordens" (Foto). Sie stehen für sich, so betont Rothe, die Biografie des Künstlers spielt da keine Rolle. Ihre Besonderheit aber mag daher rühren, dass Meier sich entwickelte, ohne dass öffentliche Kritik oder ein Publikum ihn je begleiteten.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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